Ricasoli wird Minlsterpräsident. 79
einen doppelten diplomatischen Rückhalt besaß. Napoleon
hatte freilich im März, als er noch auf Preußens Freigebig-
keit schöne Hoffnungen setzte, zu einem Vorstoß nach Ungarn
aufgefordert; jetzt aber hatten die Verhältnisse sich geändert,
und aus Paris verlautete nichts mehr als Mahnung zu
ruhiger Besonnenheit und gemäßigter Kriegführung. Und
noch entschiedener trat damals der englische Gesandte gegen
jede revolutionäre Unternehmung jenseits der Adria auf.
Osterreich sei ein nothwendiges Glied im europäischen Staaten-
system; nicht auf dessen gänzliche Zerstörung dürfe man aus-
gehen, und käme es zu einer ungarischen Revolution, wer
könnte die Folgen ermessen? würde sie nicht nach Serbien
und Rumänien hinüber greifen? würde nicht die ganze orien-
talische Frage dadurch ausgerührt werden? Der schmeichelnde
Einfluß einer reizenden Frau kam diesen Vorstellungen bei
La Marmora zu Hülfe, und es hatte sein Bewenden bei dem
Beschlusse, daß Garibaldi nach Tirol ziehen, und die Haupt-
armee über den Mincio vorrücken würde.
Dies erlangt, zögerte La Marmora nicht länger, seine
ministerielle Stellung nieder zu legen und zur Armee ab-
zugehen. Er hatte gewünscht, in sein Ministerium an seiner
Statt den Baron Ricasoli hineinzuziehen, dieser aber aus
guten Gründen auf einer Neubildung des ganzen Cabinets
bestanden. Denn gründlich verschieden waren seine Vor-
stellungen über Politik und Krieg von jenen La Marmora's.
Diesem war an der Erwerbung Venetiens, am liebsten durch
friedliche Mittel, und an der Fortdauer des französischen
Schutzes gelegen. Jener aber erfreute sich des Krieges und
begehrte kräftige und ruhmreiche Führung desselben, weil er
davon nicht bloß die Befreiung Venedigs von Osterreich,