Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Sechster Band. (6)

1867 Die Mehrheit läßt es sich widerstrebend gefallen. 93 
es von zwei im Übrigen gleichgestellten Bürgern den Einen, 
der z. B. 100 Thlr. und 1 Groschen Steuer zahlt, in die 
erste, den Andern, der 100 Thlr. weniger 1 Groschen zahlt, 
in die zweite Abtheilung der Wähler bringt: ein Argument, 
welches offenbar jede Bestimmung, die irgend eine Grenze 
festsetzt, als gleich absurd erweisen würde. Nicht zwingender 
war seine Polemik gegen die indirecten Wahlen, durch deren 
Abstufung recht leicht der Vertreter einer Minorität zum 
Siege gelangen könnte. Das ist an sich unbestreitbar, war 
aber schon damals in der Praxis durch die Bildung von 
Wahlcomites erledigt, welche nur Anhänger eines gewissen 
Candidaten auf die Liste der Wahlmänner bringen. Mit 
Brünneck's Antrag auf Haushalt-Wahlen fand sich Bismarck 
auf das Einfachste ab, indem er ihn nicht bloß todtschwieg, 
sondern positiv erklärte: wir haben genommen, was uns 
vorlag; ich kenne kein besseres Wahlgesetz; bisher ist diesem 
kein einziges entgegengestellt worden. Niemand erhob Ein- 
spruch, und so verschwand der Antrag Brünneck von der 
Bildfläche. 
In der langen Reihe der Redner finde ich nur zwei, 
Herrn von Below und mich selbst, welche rückhaltlos mit 
eingehender Erörterung dem allgemeinen gleichen Stimmrecht 
als der Vorstufe der demokratischen Dictatur entgegentraten, 
und nur drei, den Frankfurter Domcapitular Thissen, Wagener 
(Neustettin) und Schulze-Delitzsch, die ihm mit warmer Be- 
geisterung Lob und Preis darbrachten. Von Wagener ist 
es bekannt, daß er in jener Zeit sich in hohem Maaße 
socialistischen Anschauungen angenähert hatte. Schulze-Delitzsch 
dagegen hatte mit Lassalle die heftigsten litterarischen Kämpfe 
gehabt, wo er freilich in Gelehrsamkeit, dialektischer Schneidig-
	        
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