Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Sechster Band. (6)

94 Die ersten Wochen des Reichstags. 1867 
keit und Stilgewandtheit dem Gegner nicht gewachsen war, 
ihn aber an echter Freiheitsliebe und praktischer Fähigkeit 
weit überragte, wie er denn in seinem redlichen Enthusiasmus 
und seiner stets opferbereiten Thätigkeit auch außerhalb seiner 
Partei sich unbedingter Anerkennung erfreute. In dem 
allgemeinen Wahlrecht sah er eine ideale Errungenschaft der 
fortschreitenden Cultur, das Princip, in dem es wurzele, sei 
das der freien Arbeit; als dies in der Geschichte einmal 
durchgedrungen, komme man nothwendig auf die Bahn zum 
allgemeinen gleichen Wahlrecht. „Die vollständige, politische 
Gleichberechtigung, rief er, ist das einzig berechtigte und 
wirksame Gegengewicht gegen die socialistische Gleichmacherei 
in den äußern Lebensloosen und Lebensstellungen, und dieses 
große Princip ist daher wohl das conservativste für den 
Staat und für die Gesellschaft, was wir nur denken können.“ 
Der colossale Aufschwung, welchen seitdem die socialistische 
Forderung der Gleichmacherei in den äußern Lebensloosen 
gewonnen hat, enthält die genügende Antwort auf die Sätze 
des wohlmeinenden Mannes, welcher die künftige Wirkung 
seiner Rathschläge so wenig wie Waldeck vorauszusehn ver- 
mochte. 
Außer dem allgemeinen Wahlrecht verfügte der Entwurf 
die Ausschließung der Beamten von der Wählbarkeit, fand 
jedoch dafür kaum einen Vertheidiger, wohl aber eine Wolke 
von Widersachern. Niemals sonst, glaube ich, sind die 
Bureaukraten so begeistert auch von liberalen Rednern gelobt 
und als der Stand gepriesen worden, der zahlreichere Ver- 
treter der wissenschaftlichen Bildung als jeder andere in seinen 
Reihen zähle und folglich dem Parlamente unentbehrlich sei. 
Windthorst wollte im damaligen Reichstag nicht weniger als
	        
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