96 Die ersten Wochen des Reichstags. 1867
ausfallen würden; wie, wenn sie eine particularistische Mehr-
heit lieferten, und dann der Bundesrath seine Zustimmung
zur Auflösung weigerte?
Die Anträge wurden mit 138 gegen 127 Stimmen
abgelehnt. Wie man weiß, hat die praktische Erfahrung der
folgenden Zeit in dieser Frage die Wünsche der damaligen
Minderheit zur Verwirklichung gebracht.
Am 30. März erledigte dann das Haus den Rest des
Abschnitts vom Reichstag, wobei nur noch ein Artikel des
Entwurfs den Anlaß zu einer weitschichtigen und lebhaften
Verhandlung gab, nämlich der Satz: die Mitglieder des
Reichstags dürfen als solche keine Besoldung oder Ent-
schädigung beziehn. Von der einen Seite wurde offen erklärt,
daß man den Artikel als ein sehr angemessenes Gegengewicht
gegen die Gefahren des allgemeinen Stimmrechts betrachte;
es wurde weiter bemerkt, daß auch die Geschworenen keine
Düten erhielten, daß überhaupt das System der Ehrenämter
zur Geltung zu bringen sei. Die Gegner erklärten mit leiden-
schaftlichem Nachdruck, die Versagung der Tagegelder würde
den größten Theil unserer gebildeten Classen, Beamte, Ge-
lehrte, Arzte, ausschließen und eine gehässige Aristokratie des
Geldsacks erschaffen; wenn man für unbesoldete Ehrenämter
schwärme, so möge man doch auch die Minister in diese
treffliche Classe versetzen; man würde, wenn man nur reiche
Leute in den Reichstag zulasse, die Erbitterung der Besitz-
losen erst hervorrufen. Bismarck gab darauf die bestimmte
Erklärung ab, daß die Regierungen unter keinen Umständen
sich auf Tagegelder einlassen würden, und der sächsische
Minister von Friesen bestätigte den Spruch. Aber die Stim-
mung des Hauses blieb hier wie bei der Wählbarkeit der