134 Abschluß der norddeutschen Bundesverfassung. 1867
der Linie nur zwei Jahrgänge der ausgedienten Mannschaft,
die neue Heerverfassung aber deren 4 oder 5 zuweise, also
gegen das Gesetz 2 oder 3 Jahrgänge der Landwehr zu
Reservisten der Linie mache. Die Regierung erwiderte, daß
die Reservisten erst bei einer Mobilmachung zur Fahne ein-
berufen würden, daß aber auch für die Landwehr gerade
nach dem Gesetze vom 3. September die Mobilmachung den
Beginn des Kriegsstandes bedeute, in welchem die Regierung
freie Verfügung über alle Mannschaftsclassen habe. Daß
die Einwendungen der Opposition gegen diese Sätze unhaltbar
waren, haben wir oben gesehen.
Bis zum Jahre 1863 hatte niemand einen Zweifel
dagegen geäußert, daß, abgesehn von dem Geldpunkte, der
König nach dem Gesetze von 1814 freie Hand habe, jeder
Zeit die Stärke und die Formation des Heeres zu bestimmen
und abzuändern. In jenem Jahre aber glaubte Rudolf Gneist
die Entdeckung gemacht zu haben, Friedrich Wilhelm III.
selbst habe durch eine in der Gesetzsammlung publicirte
Cabinetsordre vom 22. December 1819 die Formation des
Linienheeres nach Stärke, Zahl und Gruppirung seiner Truppen-
körper gesetzlich festgelegt, so daß also zu ihrer Abänderung
ein neues Gesetz, mithin jetzt die Zustimmung des Landtags
erforderlich, und bis zu deren Erlangung die Heerverfassung
von 1861 verfassungswidrig sei. Gneist fügte dieser Behaup-
tung eine allgemeine Erörterung hinzu, in welcher er mit
weitem politischem Blicke und glänzender Beredsamkeit darlegte,
wie zu allen Zeiten die gesetzliche Feststellung der Heer-
verfassung ein Interesse ersten Ranges für Staat und Volk
sei, um eine so wichtige Einrichtung sowohl gegen ministerielle
als gegen parlamentarische Willkür zu sichern.