Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Sechster Band. (6)

1867 Sieg der Nationalliberalen. 151 
begangen worden. Als Spruchbehörde in erster und letzter 
Instanz wurde für Fälle des Hochverraths das Ober- 
appellationsgericht in Lübeck bezeichnet. 
Aber um so stärker rührten sich principielle Bedenken 
gegen den folgenden Artikel, nach welchem Streitigkeiten 
zwischen verschiedenen Bundesstaaten, so weit sie nicht rein 
privatrechtlicher Natur und deshalb von den competenten 
Gerichten zu entscheiden seien, auf Anrufen einer Partei durch 
den Bundesrath erledigt werden sollten. Verfassungsstreitig- 
keiten aber in solchen Bundesstaaten, deren Verfassung dafür 
keine Behörde zur Entscheidung bestimmt, hätte auf Anrufen 
einer Partei der Bundesrath gütlich auszugleichen, oder wenn 
das nicht gelinge, auf dem Wege der Bundesgesetzgebung 
zum Austrage zu bringen. Eine Phalanx berühmter Juristen, 
Wächter, Zachariä, Reichensperger, Schwarze, Windthorst, 
erklärten diese Bestimmungen für ungenügend, gefährlich, 
den heiligsten Rechtsbegriffen zuwider. Hier handle es sich 
um Urtheile in streitigen Rechtsfragen; das sei nicht Sache 
des Gesetzgebers, sondern des Richters; so wenig wie der 
Richter Gesetze machen dürfe, so wenig habe der Gesetzgeber 
Urtheile zu finden. Ein Bundesgericht also sei zur Ent- 
scheidung jener Streitigkeiten einzusetzen. Ein Bundes- 
gericht, sagte Reichensperger, sei bereits 1815 von Wilhelm 
von Humboldt der Schlußstein jeder geordneten Verfassung 
genannt worden. So finde es sich als Bundesschiedsgericht 
in den Beschlüssen des alten Bundestags von 1834, so in 
der Verfassung der Paulskirche, so in der von Preußen 
vorgeschlagenen Unionsverfassung, so in dem österreichischen 
Vorschlag von 1863; alle deutschen Regierungen hätten also 
seine Nothwendigkeit anerkannt. Zachariä beantragte gleich
	        
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