Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Sechster Band. (6)

154 Abschluß der norddeutschen Bundesverfassung. 1867 
seine Anträge wurden jedoch gegen wenige Stimmen ver- 
worfen, und bei weitern Verhandlungen über den Gegenstand 
zeigte es sich in unwidersprechlicher Weise!), daß an dem 
Regierungstische wie bei der großen Mehrheit der Abgeordneten 
kein Zweifel über den Sinn des Wortes „Verfassungs- 
Anderung“ bestand, daß vielmehr auf beiden Seiten gerade 
die Befugniß zu künftiger Erweiterung der Bundes-Competenz 
gegenüber den Einzelstaaten als die wesentliche Hauptsache 
betrachtet wurde. Wenn die Gegner einwandten, daß damit 
ja die Möglichkeit eröffnet würde, durch Zweidrittel-Mehrheit 
den Bund in einen Einheitsstaat umzugestalten und die 
Selbständigkeit der Einzelstaaten völlig zu vernichten, so 
wurde ihnen geantwortet, daß keine Verfassung etwas tauge, 
wenn man ihre Träger für unvernünftig und gewaltthätig 
halte, und weiter, daß man bei ihrer Forderung, neu hervor- 
tretende nationale Bedürfnisse nur bei einstimmigem Beschlusse 
aller Regierungen zu befriedigen, wieder auf dem Boden 
des alten Bundestags anlange, bei dessen unvermeidlicher 
Unfruchtbarkeit die letzte Rettung ebenso unvermeidlich die 
Revolution und der Bürgerkrieg gewesen. 
Wie gesagt, dies Alles war früher vorgekommen; jetzt 
wurde die Verhandlung nicht erneuert. 
Am 10. April war zum Schlusse ein transitorischer Zusatz- 
artikel zu berathen: die Beziehungen des Bundes zu den süd- 
deutschen Staaten werden sofort nach Feststellung der Verfassung 
durch besondere, dem Reichstag zur Genehmigung vorzulegende 
1) (Prosch, Abgeordneter von Schwerin) die Competenz des 
norddeutschen Bundes S. 48 ff. stellt die betreffenden Außerungen 
von Bismarck, Savigny, Hofmann Seitens der Regierungen, so wie 
Micquel's, Lasker's u. s. w. zusammen.
	        
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