1866 Sondergeist in Süddeutschland. 7
Ausstoßung Osterreichs und die damit vollzogene Zerreißung
des deutschen Vaterlandes. Von Neuem ertönten in Schwaben
alle demokratischen Schlagworte von 1849: man feierte das
Verfassungswerk der Paulskirche mit seinen köstlichen Grund-
rechten, forderte aber mit gleichem Nachdruck die föderative
Selbständigkeit aller einzelnen Stämme und Staaten. Man
brandmarkte die preußische Tyrannei, welche das heilige Selbst-
bestimmungsrecht des Volkes in Schleswig-Holstein und Han-
nover zertreten habe; energisch wies man den preußischen
Militarismus zurück und beantragte zum Schutz von Recht
und Freiheit ein Wehrsystem nach Schweizer Muster mit
kürzester Dienstzeit und geringsten Kosten. Ob der im Prager
Frieden vorgesehene Südbund zu errichten sei, darüber gingen
die Ansichten weit aus einander, um so einiger war man in
der Ablehnung des Nordbundes, von dessen künftigen Frei-
heitsrechten sich niemand etwas versprechen wollte.
Immerhin ist hier das Geständniß nicht zurückzuhalten,
daß diese feindliche Stimmung nicht bloß aus radikalen oder
klerikalen Gesinnungen entsprang. Ganz abgesehen von Po-
litik und Kirche erschien den Bayern und Schwaben damals
der Preuße, und vollends der Berliner, als der Typus alles
Preußenthums, durchaus abstoßend im Verkehr. Wie heute
den Deutschen in Europa, so erging es damals den Preußen
in Deutschland; in Respect hatte man sich gesetzt, aber die
Keime der Neigung entwickelten sich verzweifelt langsam. Die
wenigsten Bayern hatten damals eine nähere Kenntniß von
norddeutschen Zuständen; was sie bei jeder persönlichen Be-
rührung verletzte, waren die von den ihrigen abweichenden
gesellschaftlichen Manieren, in denen sie ein für alle Mal den
Ausdruck eines unerträglichen Hochmuths zu erblicken glaubten.