Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Sechster Band. (6)

1867 Verwaltung der Bundesschulden. Paßzwang. 251 
convertirung nur unter Genehmigung des Reichstags erfolgen 
dürfte; ferner aber setzten Miquel und Genossen einen Zusatz 
durch, welcher die Beamten der Schuldenverwaltung civil- 
rechtlich haftbar für jede Abweichung von den Vorschriften 
des Gesetzes erklärte und dem Reichstag zur gerichtlichen 
Verfolgung der Schuldigen Vollmacht gab. Delbrück äußerte 
auf der Stelle schwere Bedenken gegen den Beschluß. Es 
lag auf der Hand, daß die Verfolgung solcher Fehler eines 
Beamten gesetzlich die Pflicht seiner vorgesetzten Behörde, 
hier also in letzter Instanz des Bundeskanzlers, war; auf 
diesen also wäre nach Miquel's Antrag eine gerichtliche Ver- 
antwortung gelegt worden, welche bei der Berathung der 
Verfassung der Reichstag abgelehnt hatte. Der Bundesrath 
setzte in der That den Beschluß über das so umgestaltete 
Gesetz einstweilen aus, verfügte also in milder Form die 
Ablehnung, womit dann allerdings auch die Realisirung der 
eben für Marinezwecke beschlossenen Anleihe von 10 Mil- 
lionen Thaler bis zur Verständigung über die durch Miquel 
angeregte constitutionelle Streitfrage hinausgeschoben wurde. 
So verdrießlich diese Folge des Zwiespalts für die Regie- 
rungen auch war, so fest blieben sie auch in der Behauptung 
des bestehenden Verfassungsrechtes, welches weder eine gericht- 
liche Verantwortlichkeit des Bundeskanzlers, noch ein darauf 
gerichtetes Klagerecht des Reichstags kannte. Um so gewisser 
aber dachten sie durch die That zu zeigen, daß auch eine 
Regierung ohne verantwortliche Minister ein warmes Herz 
für die Freiheitsrechte des Volkes haben konnte. Ein von 
dem Bundesrathe vorgelegter Gesetzentwurf hob mit einem 
Federstrich den Paßzwang auf, der mehrere Menschenalter 
hindurch alle Schichten der Bevölkerung beim Reisen behindert
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.