Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Sechster Band. (6)

256 Ratification der Zollvereinsverträge. 1867 
Nach weitern 25 Jahren fand sich allerdings die Gesetz- 
gebung veranlaßt, mit harten Strafvorschriften gegen den 
Wucher sich zu beschäftigen. 
Nachdem der nationalliberale Führer für weitere Befreiung 
des Capitals gewirkt hatte, kam gleich nachher ein Antrag 
der Fortschrittspartei, Schulze-Delitzsch, Becker-Dortmund und 
Genossen, auf weitere Befreiung der Arbeit zur Erörterung. 
Seit langer Zeit bestanden in Preußen und anderwärts 
Verbote von Verabredungen und Vereinigungen, sei es der 
Arbeitgeber oder der Arbeiter, behufs der Erlangung günstiger 
Arbeitsbedingungen, namentlich mittelst Einstellung der Arbeit 
oder Entlassung der Arbeiter; weiterer strafrechtlicher Ver- 
folgung unterlagen dabei vorkommende Contractbrüche, sowie 
gewaltsame Versuche, jemanden zur Theilnahme an einem 
Ausstande zu zwingen. 
Der Antrag Schulze begehrte kurz und rund die Auf- 
hebung aller dieser Bestimmungen, mit dem Zusatze, daß 
jeder Arbeitgeber jeden Arbeiter annehmen, jeder Arbeiter 
bei jedem Arbeitgeber eintreten könne, unter Wegfall aller 
hindernden Vorschriften der bestehenden Gewerbe-Ordnungen. 
Im Allgemeinen begegnete der Antrag einer günstigen 
Stimmung im Hause, wenn es auch zweifelhaft erschien, ob 
er nicht in einzelnen Punkten zu weit ginge, und ob er unter 
den gegebenen Rechtsverhältnissen so kurzer Hand sich würde 
durchführen lassen, eine Frage, welche die Antragsteller nach 
radicaler Weise keiner Berücksichtigung werth erachteten. Es 
kam denn auch von den Freiconservativen ein Gegenantrag: 
den Bundeskanzler aufzufordern, auf Grundlage eines 1866 
im preußischen Landtage eingebrachten, aber nicht zum Beschluß 
gediehenen Entwurfs (welcher die Coalitionsfreiheit ertheilte,
	        
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