286 Preußische innere Politik. Anfang 1868. 1867
fremd. Und doch zeigte sich gerade in den beiden großen
Parteien ein abwechselndes Schwanken zwischen der Unter-
stützung und der Bekämpfung der Regierung, und auch der
Grund davon ist leicht zu erkennen. Das rasche und folgen-
reiche Ergreifen des nationalen Gedankens hatte die Richtung
und die Bedürfnisse der preußischen Politik vollständig ver-
wandelt, und nicht überall war man sich dieser entscheiden-
den Thatsache bewußt geworden. Zur Durchführung seines
Werkes konnte Bismarck weder konservativer noch liberaler
Gesetze und Maaßregeln entbehren; er mußte also gute
Freundschaft mit beiden Parteien suchen und eine Ver-
ständigung mit und zwischen ihnen auf dem Boden der
großen nationalen Aufgabe erstreben. Manches Mal gelang
es; aber nur zu häufig geschah, daß sein liberales Thun die
Conservativen mit tiefem Mißtrauen erfüllte, ob ihr alter
Führer in revolutionäres Treiben hinabgleite, und kräftiger
Widerstand geboten sei, während umgekehrt die National-
liberalen bald hier bald dort bei ihm einen Rückfall in
reaktionäre oder absolutistische Gelüste wahrzunehmen glaubten
und zu deren Eindämmung die Machtbefugnisse des Parlaments
auf allen Seiten zu festigen oder zu erhöhen strebten.
Gleich im Anfang der Landtagssession kam es nach
solchen Stimmungen zuerst zu einem heftigen Zusammenstoß
zwischen der Regierung und den liberalen Fractionen, der
sich durch mehrere Monate hindurchzog, und sodann folgte
gleich nach dessen Erledigung ein nicht minder lebhafter
Ausbruch angesammelter Verstimmung der Conservativen
gegen Bismarck. In beiden Fällen war es eine Folge der
Ereignisse von 1866, die zu diesen Spaltungen den Anlaß
gab, und die wir also etwas näher zu betrachten haben.