1867 Weitere Processe. Anträge im Landtag. 305
letzung der Verfassung und für einen unbefugten Eingriff in
eins der wichtigsten Rechte der Volksvertretung erklären und
Protest erheben gegen die Rechtsgiltigkeit dieses Verfahrens
und aller sich daraus ergebenden Folgen. Das Haus nahm
den Antrag nach dreitägiger höchst erregter Debatte mit 263
gegen 35 Stimmen an, nachdem Graf Lippe seinerseits Ver-
wahrung dagegen als gegen einen rechtlosen Eingriff in die
verfassungsmäßige Unabhängigkeit der Gerichte erhoben, und
Bismarck ihn durch eine schneidige Kritik eines Privilegs
unterstützt hatte, welches Verläumdung und Ehrenkränkung
Dritter unbestrafbar machen sollte. Da Twesten sich mit
gewohnter Kraft an der Debatte betheiligt hatte, wurde auch
diese Rede unter Anklage gestellt, dem Präsidenten des
Hauses aber der amtlich der Regierung übersandte Beschluß
desselben als verfassungswidrig zurückgeschickt. Es war das
letzte parlamentarische Gefecht der Conflictszeit.
Bald nachher trat mit den großen Ereignissen des
Sommers der gewaltige Umschwung der preußischen Politik
ein, der innere Hader wurde geschlossen, bei der Berathung
des Reichswahlgesetzes im Abgeordnetenhause ein Satz zur
Sicherung der unbedingten Redefreiheit eingefügt. Unter
diesen Umständen wiederholten die Gerichte erster und zweiter
Instanz trotz des Urtheils des Obertribunals die Freisprechung
Twesten's und Frentzel's auf Grund des Artikels 84. Alle
Welt hielt es jetzt für zweifellos, daß hiemit die Sache zu
Ende, und die spitzfindige Auslegung des Obertribunals zu
den Todten gelegt sei. Aber über die Zähigkeit des Grafen
Lippe sollte man noch besondere Erfahrungen machen: gegen
die Freisprechung sowohl Twesten's als Frentzel's legte die
Staatsanwaltschaft Ende Februar 1867 die Nichägkeit=
v. Sybel, Begründung d. deutschen Reiches. VI.