1868 Liberale Entrüstung über die Processe. 307
dem Gerichte nur noch die Bestimmung des Strafmaaßes
überlassen, und dann nach dem Inhalt der Rede auf die
höchste zulässige Strafe, zwei Jahre Gefängniß, zu erkennen
sei. So wurde am 11. November geurtheilt. Graf Lippe
verfügte darauf sofort die Suspension Twesten's von seinem
Amte. «
Die Erbitterung über diese Vorgänge war grimmig bei
allen Liberalen im Landtag und im Lande. Kaum hatte der
neue Landtag am 20. November sich constituirt, als Lasker
den Antrag auf eine gesetzliche Declaration des Artikels 84,
im Sinne unbedingter Redefreiheit, einbrachte. Außer der
conservativen Partei waren alle andern, Freiconservative
und Altliberale, Nationalliberale und Fortschrittspartei, ein-
verstanden in der Sache. Der Abgeordnete redet nicht aus
persönlicher Willkür, sondern zur Erfüllung seiner Berufs-
pflicht, wozu es gehört, daß er die ihm bekannt gewordenen
lbelstände im Staatswesen zur Sprache bringt; es kann also
niemals bei ihm eine beleidigende Absicht (animus iniuriandl)
angenommen werden. Darüber, und über die tiefe Schädigung
des gesammten parlamentarischen Wesens durch eine Beein-
trächtigung dieser Freiheit, darüber, wie gesagt, waren. Alle
einig. Aber nach deutscher Weise durfte es an Amendements
nicht fehlen. Die Fortschrittspartei beantragte, daß der Ar-
tikel 84 völlig klar und ausreichend sei, das Haus also sein
Recht durch das Verlangen einer Declaration selbst in Zweifel
stelle, daß man also über Lasker's Antrag zur Tagesordnung
überzugehn, und die Initiative der Staatsregierung zu über-
lassen habe.
Umgekehrt fanden die Freiconservativen die Auslegung
des Artikels 84 durch das Obertribunal nicht so zweifellos
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