1868 Wahlen zum Zollparlament in Bayern. 311
aber waren schon vor dem Beginn dieser Berathungen die
Hoffnungen auf ein Gelingen des Werkes durch den Verlauf
der Parlamentswahlen in Süddeutschland stark gesunken, und
sanken immer tiefer bei dem weitern Fortgang der Bewegung.
Zwar in Hessen-Darmstadt hatte die nationale Partei mit
überwältigender Mehrheit alle sechs Mandate, und in Baden
acht Sitze gegen sechs Gegner erobert. In Bayern aber, wo
vor wenigen Monaten ein kräftiger Aufschwung des Bürger-
thums gegen den Sondergeist der Reichsräthe das Verbleiben
in dem reformirten Zollverein erzwungen hatte, führte dicht
vor den Wahlen ein lang vorbereitetes Eingreifen der ge-
sammten katholischen Priesterschaft einen plötzlichen Umschlag
herbei. Hier erlebte man, welche Macht das allgemeine
gleiche Stimmrecht innerhalb einer katholischen Bevölkerung
dem Klerus in die Hand gab. Während seine Partei in der
zweiten Kammer nur über ein Zehntel der Sitze verfügte,
erlangte sie für das Zollparlament von den 48 bayerischen
Wahlbezirken in 26 den Sieg, wozu dann noch ein demo-
kratischer Particularist hinzutrat. Die nationale, oder wie
sie hier hieß, die Fortschrittspartei, sandte 12 Mitglieder in
das Zollparlament, alfo ein Viertel des bayerischen Con-
tingents, während sie in der zweiten Kammer beinahe ein
Drittel bildete. Den Rest von 9 Parlamentswahlbezirken
behauptete eine etwas farblose Mittelpartei, die in der
Kammer bisher die Mehrheit besaß. Charakteristisch für den
Hergang war ferner, daß die Candidaten des Klerus über-
wiegend vornehme Edelleute und höhere Beamte waren, ob-
gleich die Partei damals in scharfer Opposition gegen das
Ministerium Hohenlohe stand, andererseits aber die gewählten
Industriellen sämmtlich der nationalen Partei angehörten,