Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Sechster Band. (6)

318 Italienische und spanische Wirren. 1867 
Lage des Augenblicks es zu fordern schien. Nach der alten 
Tradition des Hauses Savoyen suchte er stets auf der Seite 
des Siegers zu stehn, so lange dieser bereit wäre, ihm den 
gebührenden Antheil an der Beute zu überlassen. So unter- 
hielt er einen laufenden Briefwechsel mit Napoleon, bei dem 
er ein unerschütterliches Vertrauen auf Italiens Dankbarkeit 
für 1859 zu befestigen wußte; zugleich aber correspondirte 
er auch mit den Todfeinden des Kaisers, den Häuptern der 
republikanischen Actionspartei, Mazzini und Garibaldi, deren 
Agenten stets geheimen Zugang zu dem königlichen Cabinette 
fanden; dann wieder hatte er persönliche Beziehungen mit 
dem Todfeinde seines eignen Werkes, dem Papste Pius, der 
bei allen Gegensätzen auch ein italienisches Herz hatte, ebenso 
wie der König ein katholisches. Boshafte Kleriker meinten, 
der König habe vor Gott keine Furcht, aber er scheue vor 
der Frage, ob es nicht doch einen Teufel gebe. Jedenfalls 
erschien in diesem Fürsten eine merkwürdige Verbindung von 
einer beinahe fanatischen Begeisterung und von gründlich 
geriebener Schlauheit, stets war er bereit, ein tollkühnes 
Spiel zu wagen oder nach den Umständen mit wechselnden 
Intriguen vorsichtig zu sondiren, immer aber in unbedingter 
Hingebung Alles an Alles, an die Lösung der hohen Aufgabe 
zu setzen. Er war eben durch und durch Soldat, als König, 
als Diplomat, als Staatsmann: wer sich ihm auf dem Zuge 
nach Rom in den Weg stellte, mit dem fand er sich im 
Kriegsstand, und im Kriege sind alle Mittel geboten, Schwert- 
schlag und Hinterlist, ritterliches Fechten und nächtlicher Üüber- 
fall, vor allen Dingen aber unbeugsamer Muth und immer 
wieder Muth. In der Auffassung des Septembervertrags 
hatte er sich vom ersten Tage zu einer von der französischen
	        
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