Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Sechster Band. (6)

1866 Bismarck's Rückkehr nach Berlin. 23 
und ihrer Landsleute dringenden Wunsch, daß ihre alten 
Staaten zwar zu preußischen Provinzen gemacht, aber um 
des Himmels willen nicht zerrissen werden möchten. Das 
Volk hänge an den altgewohnten Zuständen, und bei der 
Abschneidung der politischen Vergangenheit würde eine Menge 
lebendiger Interessen auf das Schwerste betroffen, und eine 
tiese Entrüstung in allen Herzen entflammt werden. Die 
Thatsache ist charakteristisch für die wahre Quelle des deut- 
schen Particularismus. Hundert Mal hat man auf dieser 
Seite den Ruf erhoben, daß die Eigenartigkeit der deutschen 
Stämme respectirt werden müsse: hier aber sehn wir, daß 
eine politische Gliederung nach den alten Stämmen energisch 
verworfen wurde, weil sie den Grenzen der bisher bestehen- 
den Staaten widersprach. Die Rechtsgemeinschaft des Staates 
überwiegt durchaus die Eigenartigkeit des Bluts; die Deutschen 
sind Particularisten geworden, nicht weil Franken oder Sachsen 
aus etwas anderem Stoffe gebildet waren, als Schwaben 
oder Bayern, sondern weil jeder ihrer Fürsten sein Terri- 
torium allmählich zu einem gesonderten Staate gebildet und 
der höhern Staatsgewalt des Reiches entzogen hatte. Nach 
der Herstellung des Reiches wird trotz aller Verschiedenheit 
der Stämme die Existenz des deutschen Staates auch der 
deutschen Gesinnung die Kraft zur normalen Einschränkung 
des Sondergeists verleihen. 
Bismarck verzichtete also auf seinen idealen Plan, nach 
seinem steten Gedanken, von allen widerstrebenden Elementen 
nicht mehr zu fordern, als zur Erhaltung der Einheit schlechter- 
dings unerläßlich wäre. Unerläßlich aber war zunächst in 
Hannover ein scharfes Vorgehn gegen die tumultuarische 
welfische Agitation. Zwei Tage nach seiner Ankunft erstattete
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.