Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Sechster Band. (6)

1867 Ratazzi und Garibaldi. 323 
die auch in Berlin nicht ohne eine gewisse Unruhe ver- 
nommen wurden). 
Aber nicht zu diesem Zwecke war Ratazzi ernannt worden. 
Wohl mochte der König hoffen, daß der alte Günstling 
Napoleon's leichter als ein anderer Mensch den Kaiser von 
der Nothwendigkeit überzeugen würde, kraft des eignen 
Princips, kraft der Souveränität des nationalen Willens 
auch der italienischen Nation ihren freien Willen zu lassen. 
Aber er meinte nicht, diese Freiheit erst durch einen Krieg 
um Luxemburg zu erkaufen. Der französische Gesandte 
Malaret meldete am 21. April: die Italiener loben unsere 
Mäßigung, tadeln den preußischen Ehrgeiz, nehmen aber kein 
Interesse an Luxemburg; sie werden uns nur mit guten 
Wünschen unterstützen. Zwei Tage später berichtete er aus- 
führlich über den Kern der italienischen Politik, über die 
wachsende Agitation für einen Freischaarenzug gegen Rom. 
Zwar machte die Londoner Conferenz im Mai der 
europäischen Kriegsgefahr und den daran geknüpften Hoffnungen 
ein Ende, und Ratazzi hielt um so mehr inne, als die 
italienische Bevölkerung bisher nur schwaches Interesse für 
das große Unternehmen gezeigt hatte. Um so stärker aber 
fand sich das Nationalgefühl beleidigt, als im Juli der 
französische General Dumont, auf Befehl des Kriegsministers 
Niel, in Rom erschien, um in einer päpstlichen, aus Franzosen 
bestehenden Soldtruppe, der sogenannten Legion von Antibes, 
1) Ugl. Boullier, Mazzini et Victor Emanuel, und Bismarck's 
Depesche an Usedom bei Schultheß 1867, S. 155 ff. Ob die letztere 
in dieser Form jemals abgesandt worden, lasse ich bei Bismarck's 
Stimmung über Usedom dahingestellt; wahrscheinlicher ist mir, daß ein 
eifriger Reporter in diesem Rahmen den Niederschlag der damaligen 
Berliner officiösen Presse angesammelt hat. 
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