1868 Französische Heeresreform. 337
Bord, stimmten Friedensgesänge an und bekämpften mit
allen Kräften Niel's Heeresreform.
Eine solche Erhöhung des Friedensstandes in der Armee,
riefen sie, sei vernichtend für alle productive Arbeit im Lande;
der nationale Wohlstand werde zu Grunde gehn bei der
begehrten Vermehrung der Steuerlast; die vorgelegten Ziffern
über die Streitkräfte der Gegner seien grundlose Phantasie-
gebilde; das Volk verwerfe eine Steigerung des Militarismus,
sollte es einmal zum Kriege kommen, so werde das Volk
selbst sich in seiner Riesenkraft erheben und den frechen Feind
zermalmen. Für den deutschen Leser ist es nicht nöthig,
die Auszüge aus diesen Debatten zu vermehren: er braucht
sich nur an die Reden Eugen Richter's, Dr. Lieber's und
Bebel's im deutschen Reichstag von 1893 zu erinnern, so
weiß er fast wörtlich genau, was 25 Jahre früher in Paris
Thiers, Jules Favre, Picard und Genossen geleistet haben;
er weiß freilich auch, daß diesen nach kurzer Frist in dem
Worte Sedan die zerschmetternde Antwort zu Theil geworden
ist. Die Kammer, sonst damals noch der Regierung äußerst
gefügig, hatte in diesem Falle vor Augen, wie unbeliebt bei
ihren Wählern jede Steigerung der Militärlast war. Die
Bauern, dem Kaiser zwar vollkommen ergeben, scheuten vor
der verstärkten Recrutirung, von der sie wußten, daß der
größte Theil auf ihre Schultern fallen würde. Die städtische
Bevölkerung wollte von keiner Maaßregel wissen, welche als
Vorbote einer kriegerischen Politik gedeutet werden konnte
und dann sofort empfindliche Störungen in Handel und
Gewerbe hervorrufen mußte. Im höchsten Grade unpopulär
war die Einrichtung der Mobilgarde, die man als einen
ersten Schritt zur allgemeinen Dienstpflicht betrachtete: wie,
v. Sybel, Begründung d. deutschen Reiches. VI.