1866 Entwurf der Verfassung des norddeutschen Bundes. 25
auch nur insoweit, um ihn zur Grundlage weiterer Erörterung
zu nehmen. Er schob sie vollständig auf die Seite, angeb-
lich weil sie zu tief in die Selbständigkeit der Einzelstaaten
einschnitten ). Dann, im Nachmittage des 13. December,
dictirte er aus dem Kopfe seinem vertrauten vortragenden
Rathe Lothar Bucher die eigentlich constituirenden Artikel der
Verfassung, über den Bundesrath (wie er den alten Bundes-
tag umtaufte), das Bundespräsidium und den Reichstag, und
gab für die übrigen Abschnitte die bestimmenden Gesichts-
punkte. Bucher, und wenn ich nicht irre Delbrück, arbeiteten
darauf das Ganze aus; am Morgen des 14. war der Ent-
wurf fertig, wurde am Nachmittag von dem unter dem Vor-
site des Königs versammelten Ministerrathe genehmigt und
war damit zur Vorlage an die Conferenz der verbündeten
Regierungen bereit.
Am folgenden Tage, 15. December, waren die Bevoll-
mächtigten pünktlich erschienen. Bismarck eröffnete die Sitzung
mit einer Rede, worin er die beiden Hauptmängel des alten
Bundes, die fehlende Sicherheit nach Außen und die Un-
fähigkeit zur Hebung der innern Wohlfahrt durch gemein-
nützige Einrichtungen, betonte und zugleich den Verfassungs-
entwurf vorlegte, welcher diesen Mängeln abhelfen sollte.
„Die unbedingte Selbständigkeit der dynastischen Gebiete“, sagte
er, „war der wesentliche Grund der politischen Unmacht unserer
großen Nation, weil ihr die wirksamen Organe zur Her-
stellung einheitlicher Entschließungen fehlten; die gegenseitige Ab-
geschlossenheit aller Bruchtheile bildete ein wirksames Hinderniß
1) So berichtet es Benedetti. Die Entwürfe sind bisher auf das
Strengste geheim gehalten worden. Im üUbrigen vgl. Köppen, Fürst
Bismarck S. 385.