Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Sechster Band. (6)

346 Deutsche und orientalische Frage. 1866 
dem Vordrängen Rußlands ein fester Damm entgegengesetzt 
werden. Auch würde schwerlich die preußische Regierung die 
Wahl eines Hohenzollern ernstlich bekämpfen, ja, vielleicht 
einen Liebesdienst darin erblicken und zum Danke den eben 
angemeldeten französischen Wünschen auf Landgewinn im 
Falle preußischer Siege gefälliger werden. Wie dem nun 
auch sei, als umgehend aus Bukarest die Antwort kam, die 
Regierung werde mit Freuden den Prinzen Karl zur Wahl 
vorschlagen, ließ Napoleon erkennen, er werde einen Prinzen 
dieses Hauses jedem andern deutschen Fürsten vorziehn. 
Übrigens blieb er in dem ganzen Verlaufe der Sache bei 
dem Grundsatze, nur im Stillen zu wirken, ohne seine Minister 
von seinen wirklichen Absichten irgendwie in Kenntniß zu setzen. 
Am 31. März 1866 erschien einer der einflußreichsten 
rumänischen Staatsmänner, Joan Bratianu, am Hofe Karl 
Anton's, um ihm die Absicht seiner Regierung anzukündigen. 
Der Vater und der Sohn verhielten sich äußerst zurückhaltend 
und erklärten, ohne Berathung mit König Wilhelm keine 
Antwort geben zu können. Jedoch war Karl Anton von 
Anfang an dem Unternehmen nicht abgeneigt, und auch die 
Persönlichkeit des Abgesandten hatte einen guten Eindruck 
gemacht. Bratianu war ein stattlicher Mann von gewinnender 
Haltung und zweifelloser Begabung. 
Ehe wir in der Erzählung weiter fortschreiten, müssen 
wir, um das Verhalten König Wilhelm's in der so unvermuthet 
an ihn persönlich herantretenden Frage verständlich zu machen, 
auf die Stellung des fürstlichen Hauses zur Krone Preußen 
einen Blick werfen. Die gemeinschaftliche Abstammung beider 
Linien war zwar von König Friedrich Wilhelm IV. amtlich 
anerkannt worden, nachdem Graf Stillfried und Archivar
	        
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