1867 Die rumänische Armee. Eroberungspläne. 355
gebracht hatte, war während der letzten Unruhn weggeschwemmt
worden. In dieser Noth richtete der Fürst seinen Blick auf
die alte Heimath und bat den König um einige preußische
Officiere als Lehrmeister und um die Gestattung eines
Ankaufs von 20 000 Hinterladern in den königlichen Waffen-
fabriken. Der König fand diese Wünsche verständig und
angemessen, allein der Kriegsminister von Roon erklärte sehr
bestimmt, zuerst müsse die preußische Armee alle in ihrem
Waffenmaterial während des Krieges erlittenen Schäden
wieder ergänzt haben, ehe sie zu so großen Verkäufen schreiten
könne. Es vergingen darüber fünf Vierteljahre, und als
endlich im Frühling 1868 der erste Waffentransport abgesandt
werden sollte, waren in dem Zustande Rumäniens erhebliche
Anderungen eingetreten. Fürst Karl hatte, auf dringendes
Anrathen Preußens, in seiner auswärtigen Politik sich mehr
und mehr dem russischen Hofe anzunähern und ohne formelle
Verpflichtungen die Gunst des Zaren mit Erfolg zu gewinnen
gesucht. Im Innern behauptete sich an der Herrschaft seit
März 1867, auf eine starke Mehrheit der Volksvertretung
gestützt, die radicale Partei, unter dem leitenden Einflusse
Joan Bratianu's, eines von der Natur mit blendenden Vor-
zügen, Erfindungskraft, Beredsamkeit, demagogischem Talente
ausgestatteten Mannes, dem seine durch heiße Ehrsucht auf-
gestachelte Fantasie maaßlose Ziele emportrieb, der aber nicht
die Fähigkeit zu gründlicher Arbeit und zu klarer Berechnung
der für die wilden Entwürfe erforderlichen Mittel besaß.
Ihm stand das Bild eines großen dako-rumänischen Reichs
vor der Seele, wozu Bulgarien auf der einen, Bessarabien,
Siebenbürgen, Bukowina und Banat auf der andern Seite
gehören sollten. Schon als er Anfang Mai 1866 die
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