366 Deutsche und orientalische Frage. 1868
verhüten, wenn Bismarck, was man damals in Paris für
zweifellos hielt, durch Unterstützung Bratianu's dem russischen
Ehrgeiz die Bahn nach Constantinopel frei machte und dann,
seinerseits wieder im Rücken durch Rußland gedeckt, Baden
und damit ganz Süddeutschland in den preußischen Militär-
verband hineinzog? War es gegenüber einer solchen Gefahr
nicht eine dringende Pflicht für Frankreichs Sicherheit, die
von Italien angeregten, bisher verschleppten Bundespläne
so rasch wie möglich zu verwirklichen? Diesen Gedanken kam
nach gleichen Erwägungen das Wiener Cabinet wenigstens
halbes Wegs entgegen. Bratianu's Umtriebe bedrohten ganz
offen Osterreichs Territorialbesitz, und auch in Wien und
dem bisher preußenfreundlichen Ungarn meinte man darin
Bismarck's Hand zu erblicken. Man hatte also Grund genug,
zur Deckung gegen eine solche Feindseligkeit eine feste Ver-
bindung mit Frankreich willkommen zu heißen. Aber so ent-
schieden wie möglich war Graf Beust der Meinung, gerade in
diesem Verhältniß alle Mittel aufzubieten, um den Frieden
zu erhalten. Ihm verbot nicht bloß die Finanznoth, die
Unfertigkeit der Armee, die Unsicherheit der innern Zustände
jede Kriegspolitik. Für die Stellung Österreichs in Europa
schien es ihm durchaus wünschenswerth, daß Frankreich und
Preußen sich fortdauernd im Gleichgewicht hielten, und
dadurch Osterreich die Möglichkeit bewahrte, die süddeutschen
Staaten immer sicherer seinem Einfluß zu unterwerfen. Denn
käme es zwischen Beiden zum Kriege, und führte dieser zu
einer gründlichen Niederlage Preußens, so war Süddeutsch-
land, der Rhein und Belgien die sichere Beute des Siegers,
dem gegenüber sich dann Osterreich in vollständiger Abhängig-
keit befinden würde. Leistete aber Preußen einen unerwartet