Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Sechster Band. (6)

370 Deutsche und orientalische Frage. 1868 
aber das Mißtrauen sämmtlicher Mächte auf sich ziehn, und 
vor Allem bei der durch Napoleon bekundeten Friedensliebe 
von keinem deutschen Reichstage weitere Geldmittel zu 
militärischen Rüstungen erhalten. Ubrigens knüpfte die Denk- 
schrift an den alten Lieblingsgedanken Napoleon's an, die 
Berufung eines großen europäischen Congresses, der nach 
Schlichtung aller schwebenden Streitfragen den Kaiser zum 
Erlasse der obigen Aufforderung einladen würde. Beust 
war mit Allem einverstanden und beauftragte Vitzthum, im 
September nach Paris zurückzugehn und dort den Inhalt 
der Denkschrift zur Annahme zu empfehlen. 
Damals befand sich Napoleon in Biarritz, und da Beust 
ein unliebsames Aufsehn befürchtete, wenn Vitzthum sich dort 
eine Audienz erwirkte, so mußte der Graf in Paris mit dem 
Staatsminister Rouher in Verhandlung treten. Zunächst 
suchte er sich über Frankreichs früher so unsichere Haltung 
in den orientalischen Händeln zu vergewissern, da ohne eine 
Ülbereinstimmung auf diesem Gebiete ein Zusammengehn der 
beiden Mächte überhaupt undenkbar war. Ich kann Euch, 
sagte Rouher, hierüber volle Beruhigung geben; wir stehn 
fest, wie Ihr, auf dem Boden der vertragsmäßigen Besitz- 
und Rechtsverhältnisse; der junge Fürst Karl, der mit 
Bratianu für Rußland arbeitet und eine Schildwache Preußens 
ist, muß aus Rumänien wieder entfernt werden. Hierauf 
sah sich Vitzthum in der Lage, die große Denkschrift zu über- 
reichen. Rouher prüfte sie, schenkte, so weit wir sehn, dem 
so oft mißlungenen Congreßplane keine Beachtung mehr, 
sprach aber mit dem Grundgedanken des Ganzen, der Auf- 
forderung zur Abrüstung, sein Einverständniß aus und war 
bereit, dem Kaiser die Ausführung zu empfehlen. Aber nach
	        
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