Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Sechster Band. (6)

1868 Napoleon will keinen Antrag auf Abrüstung stellen. 371 
einiger Zeit kam ein trocken ablehnender Bescheid Napoleon's 
zurück, nach der praktischen, schlagend richtigen Bemerkung: 
bei der preußischen Landwehr-Verfassung wäre eine beider- 
seitige, gleichmäßige Verminderung der Feldarmee ein Selbst- 
betrug (marché de dupe). Rouher machte darauf den 
Versuch, diesem Einwande entsprechend, den österreichischen 
Vorschlag näher auszuarbeiten. Nach diesem neuen Entwurfe 
sollte in Berlin beantragt werden: für die nächsten zehn 
Jahre wird die Friedensstärke der beiden Armeen auf je 
250 000 Mann festgesetzt, die Kriegsreserven ihrer Pflicht 
entbunden, die preußische Landwehr und die französische seinst- 
weilen auf dem Papier stehende] Mobilgarde aufgelöst. 
Napoleon mochte nach seiner Kenntniß der preußischen Zustände 
der umgehenden Ablehnung eines solchen Vorschlags sicher 
sein; er hielt ihn aber auch nach seiner eignen Stellung für 
unthunlich. Er wies Rouher's Arbeit beinahe unwillig zurück. 
Ein Napoleon, sagte er, kann nicht entwaffnen, geschweige 
das Signal zu einer allgemeinen Abrüstung geben; er würde 
damit seine Krone auf das Spiel setzen 7. 
So kam er Mitte October aus Biarritz nach Paris 
zurück, gebeugt durch das spanische Mißgeschick, beunruhigt 
durch die wachsenden Verwicklungen im Orient, vor Allem 
gereizt durch die Möglichkeit, daß ein weiteres Vorgehn 
Bismarck's in Deutschland alle kriegerischen Leidenschaften 
des französischen Volks entfesseln möchte. Er fand in Paris 
den ihm seit lange befreundeten Lord Clarendon vor, der 
soeben in Berlin zur Eintracht mit Ssterreich gemahnt hatte 
und jetzt mit dem Grafen Vitzthum in gleichem Sinne redete. 
Kein besseres Ereigniß, sagte er, könne Europa erleben, als 
) Aus ungedruckten Memeoiren. 
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