Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Sechster Band. (6)

1866 Leitende Gesichtspunkte des Entwurfs. 29 
bedrohte. Vorbehalten für die künftige Bundesthätigkeit 
waren Gesetze über Freizügigkeit und Gewerbebetrieb, über 
geistiges Eigenthum und Patente, über Flußschifffahrt und 
Eisenbahnen, über Papiergeld und Bankwesen, über Civil- 
prozeß und Concursverfahren. Genug, die Grenze zwischen 
der Competenz der Bundesgewalt und der des Einzelstaats 
wurde nicht nach den Ministerialressorts gezogen (etwa für 
jene Auswärtiges, Handel, Krieg und Marine, für diese 
Inneres, Justiz, Cultus, Unterricht), sondern wo sich in 
irgend einem Ressort ein gemeinsames deutsches Interesse 
zeigte, würde die Bundesgewalt in irgend einer Weise, gesetz- 
geberisch, verwaltend, beaufsichtigend, eingreifen, dafür aber 
auch, wo dies nicht der Fall wäre, der Thätigkeit des Einzel- 
staats freie Hand lassen. So würde die Armee nach Bundes- 
gesetz organisirt, die Ernennung der Officiere aber verbliebe 
zum größten Theil den Landesfürsten. Die Kosten des Heer- 
wesens setzte der Etat des Bundes fest, die Art der Auf- 
bringung derselben aber würde den Regierungen der Einzel- 
staaten überlassen bleiben. In der Diplomatie wäre neben 
der Thätigkeit der großen norddeutschen Botschafter jedem 
Einzelstaat eine besondere Vertretung für die speciellen In- 
teressen seiner Einwohner freigestellt. Jeder Einzelstaat möchte 
seine Eisenbahnen bauen und verwalten nach seiner Weise, 
nur behielte sich der Bund eine gewisse Aufsicht und das 
Recht vor, im Interesse der Landesvertheidigung selbst einen 
Bahnbau zu veranlassen. 
Offenbar hatte bei dem ganzen Entwurf ein großer 
Sinn für das praktische Bedürfniß, ohne Rücksicht auf Theorie 
und Doctrin gewirkt; es sei unmöglich, klagte später ein be- 
rühmter Professor des Staatsrechts, anzugeben, in welches
	        
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