Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Sechster Band. (6)

1866 Beschlagnahme der Thurn= und Taxis'schen Post. 33 
Verwaltung wieder in den gewohnten regelmäßigen Gang. 
Der Fürst von Thurn und Taxis war in Folge der großen 
Kriegsereignisse überzeugt, daß in Deutschland die Zeiten des 
Bundestags, der österreichischen Suprematie und Alles, was 
damit zusammenhing, folglich auch seiner kaiserlichen Lehns- 
post, vorüber waren, und da Preußen sich bereit erklärte, 
für seinen Verzicht ihn durch eine Capitalzahlung zu ent- 
schädigen, sandte er bereits im September 1866 einen seiner 
tüchtigsten Postbeamten, Freiherrn von Gröben, nach Frank- 
furt, um mit Stephan die Höhe der Ablösungssumme fest- 
zustellen. Dies Geschäft wäre leicht gewesen, wenn es sich 
lediglich um die Capitalisirung der letzten Jahreseinnahmen 
hätte handeln können, da Bücher, Registraturen und Cassen 
der bisherigen Verwaltung sich in bester Ordnung befanden. 
Allein Stephan stellte den Grundsatz auf, daß nicht für die 
Einnahmen des alten Zustandes, sondern für die der neuen 
Zeit, angenommen, daß die Lehnspost bestehn bliebe, Ent- 
schädigung zu leisten sei: und so berechtigt dieser Satz auch 
war, schwierig und verwickelt zeigte sich die praktische Durch- 
führung desselben. Das kaiserliche Lehn, welches vor mehreren 
Jahrhunderten dem Fürsten die Post im ganzen Reiche über- 
wiesen hatte, war im Laufe der Zeiten durch die wachsende 
Selbständigkeit der Einzelstaaten vielfach durchbrochen worden. 
Die größern Staaten hatten für ihre Gebiete eigne Posten 
eingerichtet, die übrigen die Rechtsverhältnisse der Taxis'schen 
in der mannichfaltigsten Weise beschränkt oder geändert, z. B. 
die fürstlichen Postbeamten der Dienstpragmatik ihrer eignen 
Behörden unterworfen, die nun nach beliebter deutscher Art 
in jedem Territorium abweichend von der des Nachbarstaats 
war. Stephan zollte der Klugheit und der Abeitsrraft der 
v. Sybel, Begründung d. deutschen Reiches.
	        
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