Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Sechster Band. (6)

1867 Bismarck's dilatorische Verhandlung. 39 
Denn jeder Zeitgewinn stärkte die deutsche Macht durch die Ein- 
führung des preußischen Heersystems in den verbündeten 
Staaten, und verminderte die Gefahr einer österreichisch- 
französischen Coalition, die man bei der damals noch frischen 
Verstimmung Osterreichs nicht außer Rechnung lassen durfte. 
Zu diesen militärischen Gründen für eine hinhaltende Behand- 
lung der französischen Anträge kamen aber allgemeine Er- 
wägungen, welche trotz der deutlich angeschauten Kriegsgefahr 
doch noch einen letzten Rest der Hoffnung auf bleibende Er- 
haltung des Friedens bei jenem Verfahren bekundeten. Wer 
könnte, hörte man Bismarck während des weitern Verlaufes 
oft erörtern, wer könnte läugnen, daß mit jedem gewonnenen 
Friedensjahre auch die Wahrscheinlichkeit weiterer Verlänger- 
ung der Eintracht steige, daß die gereizten Gemüther sich all- 
mählich beruhigen, die auf den Frieden angewiesenen materiellen 
Interessen entscheidenden Einfluß erlangen könnten? Indem 
er weiter in die Zukunft blickte, hielt er es bei der hohen 
Erregung der nationalen Leidenschaft und den gewaltigen 
Kriegermassen auf beiden Seiten für zweifellos, daß ein hier 
losbrechender Kampf nicht wie zur Zeit Ludwig's XIV. sich 
lange Jahre hin und her über die Grenze schieben würde: 
nein, er würde vom ersten Tage an den tödtlichen Stoß 
auf das Herz des Gegners zu führen suchen, und wie dann 
auch der Ausgang fiele, der Besiegte würde mit Haß und 
und Verzweiflung den Gedanken der Rache festhalten, und 
damit auf mehr als ein Menschenalter hinaus den Frieden 
Europas gefährden. 
In Paris galt die Einverleibung Luxemburgs als Com- 
pensation für Preußens bisherigen Gewinn, die preußische 
Allianz zur Eroberung Belgiens als Preis für Preußens
	        
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