62 Die ersten Wochen des Reichstags. 1867
inhaltreiche Zusätze noch erweitern ließen. Dann aber, zu den
Regierungen gewandt, mahnte er sie mit schwungvoller Wärme,
den Reichstag und die Nation nicht durch Verstümmelung des
Budgetrechts zu erbittern. Denn dann würden maaßlose und
revolutionäre Forderungen auftreten, während ein in sein volles
Recht eingesetzter Reichstag conservativ und stets bereit sein
würde, für Deutschlands Sicherheit alle erforderlichen Mittel
zu bewilligen. Hier also stimmte er ganz dem Begehren
Twesten's und Waldeck's zu, immer aber blieb der Unterschied
bedeutend. Denn er sprach Wünsche aus, machte ihre Erfüllung
aber nicht zur Bedingung der Annahme der Verfassung.
Am Regierungstische hatte man geringes Vertrauen auf
die Zuverlässigkeit seiner Verheißungen, sah aber die Hoffnung
auf ungeänderte Annahme dieses Theils der Verfassung mehr
und mehr verschwinden. Bismarck's Vertrauter, Wagener
(Neustettin), machte geringen Eindruck mit der Erörterung,
daß, wenn der Reichstag die jährliche Beschlußnahme über
den Militäretat empfange, dasselbe Recht auch dem Bundes-
rathe nicht vorenthalten werden könne, und dadurch der Bund
sich in einen Vertrag mit jährlicher Kündigung verwandeln
würde. Vergeblich forderte er die Linke auf, dem Beispiele
der Rechten zu folgen, welche um der Einheit willen eine
lange Reihe ihrer Lieblingswünsche zum Opfer zu bringen
bereit sei (sehr richtig, rechts). Statt dessen wurde von meh-
reren Seiten her mit großem Pathos der Satz verkündigt,
jeder preußische Abgeordnete, welcher die preußische Verfassung
beschworen, breche seinen Eid, wenn er hier für eine Minde-
rung der preußischen Verfassungsrechte stimme — als wenn
diese Verfassung nicht selbst einen Artikel über gesetzliche
Anderungen hätte, so daß der Eid nur die Theilnahme an