1867 Verhandlungen in Paris. Thiers. Ollivier. 75
große Allianz aller conservativen Mächte zu strenger Auf-
rechthaltung des heutigen Besitzstandes. Eine solche Allianz
werde ohne Krieg die großen Störenfriede im Zaume halten.
Aber freilich sei dafür die erste Bedingung, daß Frankreich
selbst seine auswärtige Politik in den Dienst der conservativen
Idee stelle und jeden Gedanken an eigne Vergrößerung weit
von sich hinweg weise. Dann werde es jene starke Allianz
erlangen und, auf sie gestützt, jede weitere Ausdehnung
Preußens in Deutschland und Rußlands im Orient ver-
hindern können.
Trotz des Talents, womit die Rede entworfen war,
machte sie auf die Mehrheit geringen Eindruck. Denn diese
war ministeriell; es war ihr nicht unbekannt, daß die Re-
gierung nach Annexionen strebte, und noch mehr, sie war
damit nicht bloß einverstanden, sondern begehrte sie selbst.
So verhielt sie sich kalt und ablehnend gegen Thiers' con-
servatives Programm, begreiflicher Weise ohne den eignen
Gedanken offen zu verkünden. Einen Widerspruch gegen
Thiers erhob nur einer seiner sonstigen Genossen in der
Opposition, Emil Ollivier, ein höchst talentvoller Sohn des
französischen Südens, ein Mann von leidenschaftlicher Erreg-
barkeit, ohne innern Halt, den wechselnden Eindrücken des
Augenblicks zu widerstehn, damals von dem Ehrgeiz erfüllt,
aus einer erfolglosen Opposition sich zum Besitze der Macht
emporzuschwingen, deshalb in geheime Beziehung zum Kaiser
getreten, den er zu einem Systeme constitutioneller Regierung
zu bekehren hoffte. Gerade nach seinen demokratischen Ge-
sinnungen fand er es unbegreiflich, wie Thiers seine Theorie
vom europäischen Gleichgewicht als den Schutz für die Un-
abhängigkeit aller Staaten pries, und kraft desselben allen