76 Die ersten Wochen des Reichstags. 1867
Völkern verbieten wollte, zu thun, was sie am Lebhaftesten
wünschten. Dabei kannte er die Friedensliebe des Kaisers
und warf sich also mit verdoppeltem Nachdruck dem Strome
der deutschfeindlichen Majorität entgegen. Er erklärte die
deutsche Einheit für das unzerstörbare Erzeugniß einer geschicht-
lichen, vollkommen berechtigten Entwicklung, die sich nicht eher
beruhigen werde, als bis das Ziel erreicht und die Vereini-
gung aller deutschen Stämme vollzogen sei. Freilich seien
Bismarck's Annexionen eine nicht zu entschuldigende Gewalt-
that, aber auf völlig gesetzlicher Grundlage werde der nord-
deutsche Bund beruhn, auf freiem Vertrage der Fürsten und
der Zustimmung einer Volksvertretung aus allgemeinem Stimm-
recht. Die deutsche Einheitsbewegung zeige keine Spur einer
feindseligen Richtung gegen Frankreich; dieses habe ihr gegen-
über jetzt den bedeutungsschwersten Entschluß zu fassen: erkenne
man sie rückhaltlos in vollem Umfange an, so sei der Friede
auf lange hin gesichert; verbiete man ihre Vollendung, so
gehe Frankreich einer unabsehbaren Kette furchtbarer Kämpfe
entgegen.
Diese prophetischen Worte gingen spurlos an der Ver-
sammlung vorüber.
Es ist für uns ebenso unmöglich, erläuterte gleich nach-
her Graf Latour, Rußland in den Besitz Constantinopels,
wie Preußen zur Herrschaft über Süddeutschland und viel-
leicht Deutschösterreich gelangen zu lassen: unsere eigne Sicher-
heit wäre durch das Eine wie durch das Andere auf das
Höchste gefährdet. Der Staatsminister Rouher vertheidigte
darauf nach Kräften gegen Thiers' Angriffe die bisherige
Politik der Regierung. Allerdings räumte er ein, daß der
Schlag von Sadowa für sie eine Quelle patriotischer