78 Die ersten Wochen des Reichstags. 1867
Völkerschaften, welche Ähnlichkeiten unter einander haben.
Aber ebenso groß, ebenso zahlreich seien die Verschiedenheiten,
die sich unter einander abstoßen. Deutschland sei offenbar
mehr für einen Staatenbund als für die Einheit geschaffen.
Jener biete ihm immense Vortheile, deren erster und größter
es sei, die Nachbarn nicht zu beunruhigen. (Wie eraquicklich
mußte den Herrn von Münchhausen und Schleiden diese
Belobung ihrer Ansichten durch den französischen Redner
sein.) Unter diesen Umständen müsse Frankreich es ver-
meiden, die deutschen Stämme mit seinen Waffen zu bedrohn
und dadurch im ganzen deutschen Volke die nationale Leiden-
schaft zu entflammen. Um die deutsche, oder vielmehr die
preußische Einheit aufzulösen, habe Frankreich nur ein Mittel,
aber ein untrügliches, es heiße Beschützung der verjagten
Fürsten, Herstellung der annectirten Staaten und Befreiung
der unterdrückten Völker. Thiers hatte als Staatsmann
gesprochen, hier redete der Demagog. Aber um damit Glau-
ben zu finden, fuhr Favre fort und kam wieder zu Thiers
zurück, sei es unerläßlich, daß Frankreich auf jede eigne Ver-
größerung verzichte. (Bewegung in der Versammlung.) Keine
Annexionen! wiederholte der Redner. Der Augerblick ist
feierlich. Würdet Ihr eine Annexion annehmen? (Lärm.)
Wenn Belgien besetzt, wenn Luxemburg annectirt werden
könnte, würdet Ihr besetzen und annectiren wollen?
Die Versammlung antwortete durch eine unwillig tobende
Mißbilligung. Zugleich aber ergriff aus ihrer Mitte Granier
de Cassagnac das Wort, ein eifriger, nicht eben glänzend
beleumdeter Bonapartist. Er begann in gemäßigtem Tone:
ich meine, wir sollen rüsten, niemand bedrohn, abwarten.
Niemand bedrohn, also auch niemand tadeln. Ich tadele