Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Sechster Band. (6)

1867 Debatten über Verantwortlichkeit der Minister. 87 
Bei der Kleinheit der Fraction wäre die Sache schnell 
erledigt gewesen, wenn sich nicht damals bei den National- 
liberalen ein bemerkenswerther Umschwung vollzogen hätte. 
Anfangs hatte die Partei, wie uns Twesten's Rede am 
9. März gezeigt hat, die Ministerverantwortlichkeit als un- 
verträglich mit dem Bundesrathe anerkannt. Dann aber 
war ein neues Mitglied, der Obergerichtsrath Planck aus 
Hannover, eingetreten, einer der scharfsinnigsten Juristen der 
Zeit, höchst geachtet als politischer Charakter, dabei geistreich 
und anziehend im persönlichen Verkehr, mithin einflußreich 
wo er erschien. Er räumte nun ein, daß freilich in dem 
Wirkungskreise des Bundesraths verantwortliche Minister 
undenkbar seien, meinte aber, daß der Entwurf dem Bundes- 
präsidium die wichtigsten Verwaltungszweige so gut wie 
ausschließlich übertrage, und auf diesen Gebieten also der 
Bundesrath der Anstellung verantwortlicher Minister nicht 
im Wege stehe, hier vielmehr alle Gründe für dieselbe, die 
Erhebung der Krone über die Angriffe der Parteien und der 
Schutz der Volksrechte gegen gesetzwidrige Willkür der Re- 
gierung, wieder in volle Kraft treten. Planck gewann die 
Zustimmung der Mehrheit der Fraction, und es wurde nun 
erwogen, daß der Bundeskanzler allein die Verantwortung 
für eine solche Masse verschiedenartiger Geschäfte unmöglich 
tragen könne; es seien also verantwortliche Commissare für 
die einzelnen dem Präsidium überwiesenen Verwaltungszweige 
zu bestellen. Da die Verantwortlichkeit eine streng juristische, 
eintretenden Falls gerichtlich geltend zu machende sein sollte, 
da es aber unmöglich schien, bei der knapp bemessenen Zeit 
des Reichstags sofort die zu verfolgenden Vergehn zu definiren 
und das dabei einzuhaltende Verfahren festzusetzen, so wurde
	        
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