1867 Anderung der Haltung der Nationalliberalen. 89
desselben zustehe, wer also die moralische oder historische Ver-
antwortlichkeit gegenüber dem Urtheil der öffentlichen Meinung
trage, einem Urtheil, welches auf diesem Gebiete wirksamer
sei, als irgend ein Spruch auch des höchsten Gerichtshofs?).
Mit großem Nachdruck griff Bismarck mehrmals in die
Verhandlung ein, um sämmtliche Anträge entschieden zurück-
zuweisen. Eine Bundesregierung durch verantwortliche
Minister stehe im Widerspruch mit den Verträgen und sei
unmöglich ohne Wegweisung des Bundesraths aus der Exe-
cutive. Unmöglich sei auch eine Regierung, in welcher der
Minister des Auswärtigen dem Reichstage juristisch ver-
antwortlich sei, der Handelsminister aber nicht. Die ihm
zugedachten Collegen müsse er sich verbitten, da Preußens
Stellung im Bundesrathe geschwächt werde, wenn sie statt
der einheitlichen eine collegiale Vertretung erhalte. Die ganze
Frage sei an dieser Stelle eine müßige; zum Schutze der
Volksrechte sei anderwärts gesorgt, da ja die Minister der
Einzelstaaten ihren Landtagen auch für die ihren Bundes-
commissaren ertheilten Weisungen verantwortlich blieben?).
Das endliche Ergebniß stellte sich folgender Maaßen:
Die Anträge der demokratischen Linken wurden mit starker
Mehrheit verworfen.
Zu dem Artikel: das Präsidium ernennt den Bundes-
kanzler — wurde Bennigsen's Zusatz: so wie die Vorstände
1) Weber (Stade). Sybel.
2) Miquel bezeichnete diese Theorie als eine Auflösung des Bundes.
In der Praxis ist es indessen häufig vorgekommen, daß ein Landtag
Anträge auf gewisse dem Bundescommissar zu ertheilende Weisungen
gestellt hat, ohne daß der Bund sich aufgelöst hätte. Will man es ver-
bieten, so muß man entweder den befehlenden Minister von jeder Ver-
antwortung freistellen, oder ihn dem Reichstag verantwortlich machen.