94 Versuch eines Dreibundes. 1869
über die technischen Einzelheiten haben für uns kein Interesse
mehr; sie waren mühsam und weitschichtig und kamen erst
am 10. Juli zum Abschluß. Der durch das Protokoll vom
27. April hergestellte Friedensstand wurde dadurch aber keinen
Augenblick erschüttert. Zu dem Protokoll lieferte dann gleich
nachher Graf Beust ein verwunderliches Nachspiel.!) Wie es
scheint, wünschte er bei dem langsamen Fortschritt der Ver-
handlungen über den Dreibund Napoleon auf einem andern
Gebiete einen Freundschaftsdienst zu leisten, und offenbar
über die Entscheidung des 27. April noch nicht unterrichtet,
schrieb er am 1. Mai zu Belgiens Belehrung eine Depesche,
die er gleichzeitig auch mehreren andern Höfen mittheilte. Er
empfahl darin mit Wärme und Nachdruck den Belgiern un-
bedingte Gefügigkeit, da sie sonst zu tödtlichem Schaden ihrer
Industrie die Kündigung ihres so vortheilhaften französischen
Handelsvertrags erleben könnten; ihre Bedenken gegen die
französischen Forderungen seien unbegründet; in Osterreich
gebe es mehrere Eisenbahnen unter ausländischer Verwaltung,
die niemals dem Staate Schaden gethan; der deutsche Zoll-
verein beweise, daß kleinere Staaten mit einem größern
solche Verbindungen ohne Beeinträchtigung ihrer Unabhängig-
keit eingehn könnten; der Abschluß eines Zollvereins mit
Frankreich sei für Belgien das beste Mittel, die vorhandene
Spannung zu lösen. Lord Clarendon war entrüstet über
eine so unterwürfige Sprache gegenüber der unberechtigten
französischen Ammaaßung und fand bei allen andern Höfen
einmüthige Zustimmung zu dieser Kritik. Aber auch bei
Napoleon erhielt Beust's verspätetes Eingreifen keinen Beifall;
1) Vgl. die Verhandlungen der österreichisch-ungarischen Delega-
tionen von 1869.