Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Siebenter Band. (7)

96 Versuch eines Dreibundes. 1869 
Die Frage war nun, ob sich Italien diesem Entwurf 
anschließen würde, und hier erhoben sich langwierige An— 
stände. 
König Victor Emanuel wurde allerdings nicht wie Beust 
durch die Sorge bedrückt, nach einem siegreichen Kriege 
Napoleon's gegen Preußen in volle Abhängigkeit von Frank- 
reich zu gerathen, obgleich dies Ergebniß für Italien in noch 
höherem Maaße als für Osterreich zweifellos gewesen wäre. 
Aber der König vertraute in dieser Beziehung seiner persön- 
lichen Freundschaft mit Napoleon und hielt auch eine voll- 
ständige Überwältigung Preußens bei einem französischen 
Kriege nicht für so sicher, wie Beust dies annahm. Der 
Gedanke eines großen Kriegs im französischen Bunde war 
ihm also nicht abschreckend, sondern anlockend, weil er, wie 
wir schon früher bemerkten, sich schmeichelte, dabei auf die 
eine oder die andere Weise zur Erreichung seines Lebens- 
zwecks, zum Besitze Roms, zu gelangen. Freilich hatte er 
für diese Anschauungen im eignen Lande nur eine sehr ge- 
ringe Zahl von Genossen. Im Cabinette selbst war die 
Mehrzahl seiner Minister von tiefem Mißtrauen gegen Napoleon 
und von entschiedener Friedenssehnsucht erfüllt. In der 
großen Mehrheit des Volkes hatte seit Mentana der bittere 
Haß gegen Alles, was französisch hieß, sich immer mehr ver- 
tieft; alle liberalen und radicalen Parteien erklärten ein 
Bündniß mit Frankreich für abscheulich. Mazzini's Agenten 
gaben überall die Losung aus, der König habe durch seine 
schmähliche Erniedrigung unter Napoleon's Gebote seine Krone 
verwirkt; ihn müsse man stürzen, und dann die triumphirende 
Republik den Boden Italiens von dem Schnmutze der fran- 
zösischen Soldateska reinigen.
	        
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