1869 Napoleon und Viktor Emanuel. 97
Der König fürchtete nicht gerade eine Revolution, wohl
aber sah er, daß er durch ein französisches Bündniß ein
hohes Spiel unternehme, dessen Verlauf ohne die Erlangung
Roms ihn politisch schwer beschädigen könnte. Auf den Vor-
schlag der Triple-Allianz antwortete er also mit einer Hin-
weisung auf seine Anträge von 1868 und begehrte wie
damals vor Allem die Erneuerung des September-Vertrags
im italienischen Sinne, d. h. Italien verbürge dem Papste
Sicherheit gegen jede Gewalt, Frankreich aber verspreche
unter Anerkennung des Grundsatzes der Nichteinmischung
(also auf immer) seine Truppen aus dem römischen Gebiet
zurückzuziehn. Allein Rouher, eingedenk seines dreifachen
Niemals von 1867 und des darauf folgenden Beifallssturmes
in der Kammer, erklärte die Genehmigung dieses Begehrens
für schlechthin unmöglich, während Beust, damals in heißem
Streite mit der Curie über das österreichische Kirchenrecht,
Italiens Wunsch von Herzen gern erfüllt hätte. Als man
dann Italiens weitere Vorschläge durchging, hätte Rouher
keine Einwendung gegen die Erwerbung Wälsch-Tyrols
gehabt, hievon aber wollte Beust nicht reden hören, und
Menabrea beschränkte darauf seinen Wunsch auf eine Grenz-
berichtigung am Isonzo, die zwar nicht ebenso bestimmt
abgewiesen, aber doch auch in den Vertrag micht auf-
genommen wurde. Nach dem italienischen Antrage von 1868
sollte ja auch von solchen Eroberungen erst nach einem
glücklichen Kriege die Rede sein, nach dem besprochenen
Entwurfe aber das Bündniß die Erhaltung des Friedens
zum Zwecke haben. Eine andere Clausel bat Menabrea
selbst zu streichen, die gemeinsame Einwirkung der drei
Mächte auf die nächste Papstwahl, auf welches dornige
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v. Sybel, Begründung d. deutschen Reiches. VII.