1869 Neues Ministerium. 105
sondern ersehnte den Augenblick, wo Ollivier, jetzt als Führer
der Mittelpartei das gegebene Haupt desselben, zur That
berufen würde.
So kam denn unter verschiedenen Einwirkungen und
innern Kämpfen des Kaisers der Entwurf eines Senatus-
consults zu Stande, welcher am 2. August der erlauchten
Versammlung zur Beschlußfassung unterbreitet werden sollte.
Auf den ersten Blick nahm er sich recht sehr constitutionell
aus. Die Rechte des gesetzgebenden Körpers waren noch
weiter als in der Botschaft vom 12. Juli bemessen, er über-
wies ihm die weitern Rechte des Gesetzesvorschlags, die Wahl
des Bureaus, der eignen Bestimmung seiner Geschäftsordnung,
der Festsetzung des Ausgabe-Budgets nach dessen einzelnen
Capiteln, der Freiheit der Interpellationen. Dem Allen gegen-
über stand aber ungeändert das Verbot fort, über einen
Artikel der Verfassung zu verhandeln, da außer einer all-
gemeinen Volksabstimmung nur dem Senat das Recht ver-
bleiben sollte, eine Anderung der Verfassung zu beschließen.
Sodann wurde über die Stellung der Minister verfügt: sie
hängen nur vom Kaiser ab, sie verhandeln im Rathe unter
seinem Vorsitz, sie sind verantwortlich, sie können nur durch
den Senat in Anklagestand versetzt werden, sie können Mit-
glieder des Senats und des gesetzgebenden Körpers sein, sie
haben Zutritt zu beiden Versammlungen und müssen auf ihr
Verlangen jeder Zeit gehört werden. So war das viel-
begehrte Wort: Verantwortlichkeit der Minister, endlich er-
schollen. Da aber daneben der Artikel der Verfassung auf-
recht erhalten wurde, daß der Kaiser dem französischen Volke
verantwortlich sei, so war es um die constitutionelle Selb-
ständigkeit der Minister gegenüber dem Kaiser und um ihre