Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Siebenter Band. (7)

110 Sieg der liberalen Tendenzen. 1869 
frühern Reiz für ihn verloren. Er wollte ruhn; demnächst 
erhalte er parlamentarische Minister, mochten diese dann zu- 
sehn, was zweckmäßig wäre. Er schrieb dem Kaiser Franz 
Joseph, er habe die Unterzeichnung des Vertrags auf un- 
bestimmte Zeit verschoben, würde aber auch ohne Vertrag 
bereit sein, Osterreich, wenn es angegriffen würde, zu Hülfe 
zu kommen. Franz Joseph sprach dafür in der Antwort 
seinen Dank aus und bemerkte, daß er die Wiedereröffnung 
der Verhandlungen ganz der Convenienz Napoleon's anheim 
stelle. Napoleon ließ das auf sich beruhn, sagte aber bald 
nachher dem Grafen Vimercati, er könne nach Allem, was 
geschehn, die Besprechung des Dreibunds nicht wieder auf- 
nehmen, dazu sei nur Osterreich in der Lage. So blieb das 
ganze Ergebniß der langen Verhandlung ein briefliches Ver- 
sprechen der drei Souveräne, daß keiner von ihnen ein 
Bündniß mit einer fremden Macht ohne Vorwissen der beiden 
andern eingehn würde, eine Zusage, welche übrigens Franz 
Joseph und Napoleon bereits 1867 mündlich mit einander 
ausgetauscht hatten. 
Während auf diese Art das Streben nach einem festen 
Zusammenschlusse Frankreichs und Osterreichs erfolglos blieb, 
gelang gleich nachher der preußischen Regierung, den Beginn 
einer folgenreichen Wendung in ihren Beziehungen zum 
Wiener Hofe herbeizuführen. 
Seit 1866 hatte sich der Verkehr zwischen beiden Stellen 
auf die unerläßlichen und nicht immer angenehmen geschäft- 
lichen Mittheilungen beschränkt. So eben erst, gleich nach 
dem Austrage des belgischen Eisenbahnhandels, hatte Beust, 
im Arger über das Fiasco seiner Depesche vom 1. Mai 
gegenüber dem allgemeinen Lobe der schweigenden Zurück-
	        
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