1868 Nürnberger Verbandstag. Communistisches Programm. 129
werden. Schon seit 1865 hatte Liebknecht mit ihm Freund-
schaft geschlossen und ihm das Verständniß für die Lehren
seines Propheten Marx eröffnet. Am 5. bis 7. Septem-
ber 1868 fand ein Verbandstag deutscher Arbeitervereine in
Nürnberg Statt. Es waren dort etwas über 120 Vereine
durch Delegirte vertreten; als Präsident des Vororts Leipzig
stellte Bebel den Antrag, der Verbandstag möge das von
dem Genfer Congreß unterdessen bestätigte Programm der
Internationale zu dem seinigen machen. Nach langer heftiger
Verhandlung wurde der Antrag von 68 gegen 48 Stimmen
angenommen, worauf die Minorität unter Protest den Saal
verließ und sich sofort auf Grund des bisherigen Programms
als deutscher Arbeiterbund selbständig constituirte. In dem
neuen Programm der Mehrheit wurde das Wort Aufhebung
des Privateigenthums vorsichtig vermieden; das communistische
Princip aber war deutlich genug bezeichnet einmal durch
„den Anschluß an die Bestrebungen der Internationale, weil
die Emancipation der Arbeiter nur durch das Zusammen-
wirken aller Länder erreicht werden könnte“, und sodann
durch die Erklärung, daß die ökonomische Abhängigkeit des
Arbeiters von den Monopolisten’ der Arbeitswerkzeuge die
Grundlage der Knechtschaft in jeder Form, des socialen
Elends, der geistigen Herabwürdigung, der politischen Ab-
hängigkeit bildete, eine Erklärung, die wieder nur eine vor-
sichtige Umschreibung der Marx'schen Forderung war, alle
Arbeitsmittel — und was ist nicht Arbeitsmittel? — den
Capitalisten zu nehmen und der Gemeinschaft der Hand-
arbeiter zu überweisen, also alles Privateigen in Gesammt-
cigen zu verwandeln. Im Gegensatz zu der dortigen Minorität,
zu den Lassallcanern und den fortschrittlichen Gewerkvereinen,
v. Sybel, Begründung d. deutschen Reiches. VII. 9