1855 Papst Pius IX. Neues Dogma. Osterreichisches Concordat. 139
Berathung der Sache geladenen Versammlung von Bischöfen
ließ er eine Bulle vorlegen, welche eine alte Streitfrage
zwischen Dominicanern einer-, Franciscanern und Jesuiten
andrerseits zu Gunsten der letztern entschied, und demnach
der Welt mittheilen sollte, daß der Papst auf Grund der
Vollmacht Christi und der Apostel Petrus und Paulus, so-
wie kraft eigner Vollmacht erkläre und bestimme, die Lehre
von der unbefleckten Empfängniß der Gottesmutter sei eine
von Gott geoffenbarte Lehre und solle demnach für jeden
Christen der Gegenstand festen und sichern Glaubens sein.
Folgte dann die übliche Strafandrohung gegen jeden Anders-
denkenden. Als einige Bischöfe schüchterne Bedenken äußerten,
erhielten sie die Antwort: wenn der Papst für sich allein
eine solche Entscheidung treffe, so offenbare er damit die
souveräne Macht des heil. Stuhls über die Kirche und zu-
gleich die Unfehlbarkeit, mit welcher Christus seinen Stell-
vertreter bekleidet habe. Damit war die Berathung zu Ende,
und am 8. December wurde das neue katholische Dogma
feierlich verkündet.
Der Papst erlebte nach kurzer Frist einen neuen Erfolg
von hoher Bedeutung, für ihn zugleich ein schöner Lohn aus
der Hand der Himmelskönigin für die ihr dargebrachte Ver-
ehrung. Kaiser Franz Joseph ließ sich durch den Erzbischof
Rauscher 1855 zum Abschluß eines Concordats bestimmen,
in welchem er das ganze kanonische Recht als geltendes
Gesetz in allen seinen Landen anerkannte, dasselbe Recht,
welches dem Papste die Befugniß beilegt, die Könige zu
lenken und unter Umständen abzusetzen. Dazu Herrschafts-
recht der Bischöfe über den Klerus, die Schule, die Literatur,
sowie freie Verwaltung eines Vermögens von 200 Millionen