1864 Agitation gegen die preußische Regierung. 143
selbst den Völkern zum Führer und Lehrer nicht bloß im
Glauben gegeben ist, sondern auch in Allem, was die Moral
und die Gerechtigkeit betrifft.
Welche Anordnung des Staates ließe sich denken, die
nicht direct oder indirect die Moral und das Recht beträfe,
also nicht unter das entscheidende Urtheil des Papstes fiele?
Was nun Deutschland angeht, so versteht es sich, daß,
sobald die alte Rivalität Preußens und Osterreichs etwas
schärfer sich fühlbar machte, die römische Curie so kräftig wie
möglich für ihren Bundesfreund Osterreich Partei nahm und
für seine Sache zu wirken suchte. Als das wichtigste Organ
diente hier der Jesuitenorden, dessen Vertreter seit der Dog-
matisirung der unbefleckten Empfängniß sich der Gunst des
Papstes und eines beinahe ausschließlichen Einflusses auf ihn
erfreuten, jeden seiner Gedanken priesen und damit ihm ihre
eigenen Wünsche zu insinuiren wußten. So waren sie denn
auch bereit, gegen Preußen eine lebhafte großdeutsche Agitation
in Angriff zu nehmen. Zunächst entwickelten die unter ihrem
Einfluß stehenden Zeitungen in Rom, Italien, Frankreich,
Osterreich, sowie die gleichgesinnten Blätter in Süddeutsch-
land und in Preußen selbst ein unausgesetztes Kreuzfeuer
gegen das Ministerium Bismarck, wobei sie mit den sonst so
gehaßten Liberalen in den Conflictjahren tapfer zusammen-
wirkten. Die preußischen Bischöfe, durch Friedrich Wilhelm IV.
der Staatsaufsichtsrechte entledigt und von den Jesuiten
durch gegenseitige Abneigung geschieden, hielten sich vorsichtig
zurück: um so eifriger schloß sich der niedere Klerus, Succursal=
pfarrer, Vicare und Capläne, gedrückt durch ihre unbedingte
Abhängigkeit von den Bischöfen, der jesuitischen Agitation
zur Verherrlichung des Papstes und zur Bekämpfung der