144 Klerikale Erhebung. 1866
preußischen Politik an. Nun gab es seit 1848 in Deutsch-
land katholische Vereine, die aber in der dann folgenden
kirchlichen Friedenszeit in sanfte Unthätigkeit verfallen waren.
Es galt, sie wieder zu beleben, ihre Zahl zu vervielfältigen,
ihre Organisation zu verstärken, neben die jährliche General=
Versammlung ein leitendes Central-Comité zu stellen, und
dieses auch zum Mittelpunkte des mißvergnügten niederen
Klerus zu machen. Außer Preußen erhob sich ein ultra-
montaner Sturm in Baden gegen das liberale Ministerium
Roggenbach, welches die souveränen Rechte des Staates über
die äußern Verhältnisse der Kirche und seine unbedingte Leitung
der Schule mit Nachdruck aufrecht erhielt, sowie in Darmstadt,
wo der klerikale Minister Dalwigk mit dem ehrgeizigen Mainzer
Bischof Ketteler Hand in Hand zur Bekämpfung der libcralen
Mchrheit der zweiten Kammer ging. Wie sehr diese allseitige
Bewegung den hoffnungsvollen Muth sowohl in Rom als in
Wien stärkte, bedarf keiner Ausführung. Vollends als sich
1866 die Verwicklung zwischen den deutschen Großmächten dem
offenen Bruche näherte, wollte man in Wien sichere Kunde aus
Preußen haben, kein Katholik unter den preußischen Soldaten
würde auf die Truppen des katholischen Kaisers schießen.
Aber, wie wir wissen, sie schossen Alle, und Königgrätz
eröffnete für Deutschland eine neue Zukunft. An der bis-
herigen Freiheit der katholischen Kirche Norddeutschlands
wurde dadurch nichts geändert. Trotzdem aber vermochte
der Vatican dem König Wilhelm die Todsünde seines Bünd-
nisses mit Victor Emanuel nicht zu verzeihn. Und dies war
des Unheils noch nicht genug. Osterreich war nicht bloß
den preußischen Waffen unterlegen; um zu seiner inneren
Herstellung zu gelangen, folgte es 1867 den Lockungen des