1868 Berufung des vaticanischen Concils. 147
Unfehlbarkeit des Papstes, in allen Entscheidungen seines
Lehramts über Glauben und Moral, sowie über die Disciplin
und das Wohl der Kirche handeln würde; dann war die
Rede von einer Umgestaltung der Sätze des Syllabus in
positive Dogmen; auch erfuhr man, daß eine besondere Com-
mission mit der Behandlung kirchlich-politischer Fragen, also
des Verhältnisses von Kirche und Staat, beschäftigt sei.
Dies Alles veranlaßte am 9. April 1869 den bayerischen
Minister Fürsten Hohenlohe, in einer Circularnote die Mächte
zur Erwägung einzuladen, ob nicht auf einer europäischen
Conferenz ein gemeinsames Vorgehen zu beschließen wäre,
um den römischen Hof über ihre, dem Concil gegenüber einzu-
nehmende Haltung im Voraus nicht im Ungewissen zu lassen.
Aber für einen solchen Vorschlag lagen die Verhältnisse
nicht günstig. Von den katholischen Mächten, auf die es
doch zunächst ankam, stand in erster Linie Frankreich, welches
ja wieder die militärische Beschützung Roms übernommen
hatte, aber durch äußere und innere Krisen so in Anspruch
genommen war, daß es über das Concil bereits einen Ent-
schluß zu fassen nicht gesonnen war. Osterreich aber, Italien
und Spanien standen auf so schlechtem Fuße mit der Curie,
daß ihre Vorstellungen höchst wahrscheinlich den Eifer des
Papstes nur verstärkt hätten. So wurde beschlossen, die
Ereignisse abzuwarten. Man vernahm von der Absicht zahl-
reicher Bischöfe verschiedener Länder, sich dem päpstlichen
Antrag zu widersetzen; auch unter den gebildeten Classen der
katholischen Welt rührte es sich; im Mai ging aus Coblenz
eine Adresse an den Bischof von Trier gegen die Unfehlbarkeit;
in München sammelte sich um den hervorragendsten der
katholischen Theologen in Deutschland, den bereits von
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