Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Siebenter Band. (7)

156 Parlamentarische Kämpfe. Erfolge der Regierung. 1869 
Das Gesetz über Freizügigkeit sollte eine nothwendige 
Ergänzung durch ein Gesetz über den Erwerb des Unter- 
stützungswohnsitzes erhalten. Die preußische Regierung hatte 
ein solches, ebenfalls nach den Grundsätzen möglichster Ver- 
kehrsfreiheit, dem Bundesrathe vorgelegt, fand hier aber bei 
mehreren Mittelstaaten solchen Widerstand, daß die Sache 
liegen blieb und nicht an den Reichstag gelangte. 
Ein besseres Geschick hatte eine Vorlage über die Rechts- 
hülfe, welche jedes Gericht eines Bundesstaats nach der Auf- 
forderung jedes Gerichts eines andern ebenso leisten sollte, 
als wäre das nachsuchende Gericht eine Behörde des eignen 
Staats. Der erste Abschnitt, über Unterstützung in Civil- 
processen, kam glatt und rasch zur Annahme; in Bezug auf 
den Strafproceß erhoben sich Zweifel, ob nicht das Er- 
scheinen des verheißenen Bundesstrafrechts abzuwarten sei, 
und Bedenken hinsichtlich des Zeugenzwangs und der Aus- 
lieferung eines Verklagten, der in dem nachsuchenden Staate 
eine Missethat begangen hatte, aber Bürgerrecht in dem 
andern besaß. Indessen kam man über die Schwierigkeiten 
hinweg, und die Vorlage wurde Gesetz. 
Schon im vorigen Jahre war Rede davon gewesen, die 
zur Zeit des alten Bundes entstandene Wechselordnung 
und das deutsche Handelsrecht in die Reihe der nord- 
deutschen Bundesgesetze aufzunehmen und dadurch für alle 
Bundesstaaten verbindlich zu machen. Dies kam jetzt zur 
Vollziehung und gab dann der Königl. sächsischen Re- 
gierung Veranlassung, die Errichtung eines Bundes-Ober- 
handelsgerichts in Leipzig zu beantragen. Obgleich Ham- 
burg den Gegenantrag stellte, ein allgemeines höchstes 
Bundesgericht einzusetzen, beschloß der Reichstag die Be-
	        
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