160 Parlamentarische Kämpfe. Erfolge der Regierung. 1869
Geschäftsgang, sowie um größere Klarheit des parlamen-
tarischen Einflusses auf das Vorgehn der Regierung. Da
über den Umfang der Verantwortlichkeit, sowie über das
Verfahren und die Wirkung desselben der Antrag keine nähere
Bestimmung enthielt, wurde es Bismarck nicht schwer, dessen
völlige Unvereinbarkeit mit der bestehenden Bundesverfassung
und den Rechten der Bundesfürsten nachzuweisen und die
Vortheile des bisherigen Systems zu entwickeln. Er hatte
einen guten Tag; die mehrstündige Rede gehört zu den
glänzendsten seiner parlamentarischen Thaten, nach der Fülle
der originalen Gedanken und dem Reichthum der benutzten
Tonscala, von der Heftigkeit einer scharf vordringenden
Polemik bis zu einer stets verbindlich bleibenden Ironie. Es
ist ein Kunstwerk, von dem man keinen Auszug geben kann,
was man nachlesen muß. Obgleich nun Bismarck jede Hoff-
nung auf die Zustimmung des Bundesrathes abschnitt, nahm
das Haus den Antrag, wenn auch nur mit kleiner Mehrheit
(111 gegen 100 Stimmen) an. Das lebhafte Interesse,
welches die Mehrheit an der Frage nahm, entsprang theils
aus dem Wunsche, den Einfluß des Bundesraths auf die
Bundesregierung zu vermindern, und hauptsächlich hiegegen
hatte Bismarck seine Streiche gerichtet, theils aber auch aus
dem alten Bestreben, über die Regierung selbst eine leitende
Beaufsichtigung durch das Parlament zu gewinnen. Man
dachte wohl weniger an die seltenen Fälle eines gerichtlichen
Verfahrens gegen Rechtsverletzungen eines Ministers, als an
die aus dem Institut erwachsene Praxis anderer constitutio-
neller Staaten, durch ein Mißtrauensvotum den sofortigen
Rücktritt des getadelten Ministers zu erzwingen. Die Schatten-
seiten der hieraus folgenden Unstätigkeit der Regierung hatte