Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Siebenter Band. (7)

162 Parlamentarische Kämpfe. Erfolge der Regierung. 1869 
vier Fünftel, also rund 20 Millionen, aufzubringen hatte, 
befand sich in einem wachsenden Deficit, war also weder ge- 
eignet noch geneigt zu einem so starken Zuschuß. Der 
Finanzminister von der Heydt war bei dem preußischen Etat 
für 1869, wie wir sahn, der Schwierigkeit aus dem Wege 
gegangen durch Verkauf von Activ-Beständen, in der Hoff- 
nung, daß ein endlicher Aufschwung von Handel und Industrie 
die Lücken rasch wieder ausfüllen würde. Statt dessen hatten 
die europäischen Spannungen von 1868 das Gegentheil be- 
wirkt; der vorliegende Abschluß der Istrechnung von 1868 
zeigte, daß man in das jetzt laufende Jahr mit einem erheb- 
lich stärkeren Ausfall, als vermuthet gewesen, eingetreten war, 
daß gegenwärtig der große Verkehr sich stets gedrückt verhalte, 
daß Preußen von seinem Activbesitz 7 Millionen verzehrt 
und für 1870 auf ein Deficit von 10 bis 11 Millionen zu 
rechnen habe. Das preußische Ministerium hatte dann eine 
Wiederholung der Aushülfe von 1868 ebenso bestimmt ver- 
worfen, wie die Deckung des Jahresbedarfs durch eine An- 
leihe, nach dem Grundsatze: in einem soliden Haushalt sind 
laufende Ausgaben nur durch laufende Einnahmen zu be- 
streiten. Was aber neue Steuern betraf, so hielt man in 
Preußen eine Erhöhung der directen zur Zeit für unmöglich; 
man beschloß also beim Bundesrathe die Aufbringung etwa 
des halben Betrags der Matricularbeiträge durch indirecte 
Abgaben zu beantragen, welche dann theils vom Reichstage, 
theils vom Zollparlament zu bewilligen wären. So meldete 
denn Präsident Delbrück gleich bei der ersten Lesung des 
Bundesetats drei neue Steuern an, Wechselstempel, Wegfall 
der Portofreiheiten bei der Post und, was das Erheblichste 
war, eine Erhöhung der Branntweinsteuer. Vierzehn Tage
	        
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