176 Parlamentarische Kämpfe. Erfolge der Regierung. 1869
sie vorgeschlagen. Aber das Princip? Es zeigte sich sehr
bald, daß auf den ersten freudigen Eindruck am 29. October
bei einem Theile der Opposition ein entschiedenes Unbehagen
getreten war. Ihr strategischer Plan, durch Ablehnung oder
doch enge Beschränkung neuer Hülfsquellen die Regierung
zu schönen Gegenconcessionen zu nöthigen, sei es Erweiterung
der parlamentarischen Rechte, sei es zweijährige Dienstzeit
oder Verminderung der jährlichen Recrutenzahl, fiel zusammen,
wenn es Camphausen gelang, die Finanzklemme dauernd zu
beseitigen. Auch wenn sein Plan zur Ausführung kam,
würden oft genug weitere Anleihn oder Steuern für neue
Ausgaben beim Landtage zu beantragen sein, aber nach aller
menschlichen Voraussicht wäre ein Deficit, d. h. die Unzuläng-
lichkeit der Mittel für die bisherigen Zwecke, auf lange hin
beseitigt. Nach dem alten System wurde durch beschleunigte
Schuldentilgung der Betrag der jährlich sonst verfügbaren
Summen vermindert, dafür aber der allgemeine Vermögens-
stand des Staats verbessert. Dies Verhältniß kehrte sich um,
wenn Camphausen's Plan zur Ausführung gelangte. Dann
blieb das Staatsvermögen durch die unverminderte Schulden=
masse belastet, dafür aber wuchs der Betrag der für die
sonstigen Jahresausgaben verfügbaren Summen einstweilen
um 3 ¼½, später aber, nach Ausdehnung der Consolidation
auf sämmtliche Schulden, um 8⅛ Million für alle Zukunft,
ohne daß künftig bei der Berathung des Jahresbudgets im
Landtag die Sache auch nur zur Sprache käme. Wenn wir,
sagte ein Redner, den Tilgungszwang aufhöben, so würde
dies gleichbedeutend sein mit einer Vollmacht für die Regierung,
künftig in jedem Jahre ohne parlamentarische Zustimmung
eine neue Anleihe von 3½ Million aufzunehmen.