Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Siebenter Band. (7)

1869 Virchow läßt sich ein schlimmes Wort entschlüpfen. 177 
Daß dies unzulässig sei, darüber hatte Virchow keinen 
Zweifel, und so hielt er auch Camphausen gegenüber seinen 
Antrag aufrecht, das Deficit durch entsprechende Ersparungen 
am Militäretat zu beseitigen, mithin keine andere Aushülfe 
der Regierung zu bewilligen. Als ihm Lasker den Artikel 
der Bundesverfassung entgegen hielt, der den Militäretat bis 
1872 festlegte, erwiderte er, das sei kein Hinderniß mehr, 
sobald die Regierungen guten Willen zeigten, auf die Wünsche 
des Volks und der Volksvertretung einzugehn, und im Feuer 
des Gefechts setzte er weiter hinzu, übrigens hätten 1867 die 
Mittelparteien jenen Artikel so nachlässig redigirt, daß sein 
Text die beiden Auslegungen gleich möglich erscheinen lasse, 
die eine, daß 1872 der Reichstag die Kosten des Kriegs- 
wesens beliebig herabsetzen könne, die andere, daß auch dann 
der jetzige Etat fortdauere, bis die Regierungen einer Ab- 
änderung zustimmten. Die Bemerkung war ganz richtig, 
und in der That sprach sie die Ansicht der Regierungen aus; 
aber im Interesse der Opposition hätte Virchow kein schlim- 
meres Wort sich entschlüpfen lassen können. Sein Sträuben 
gegen die für die Sicherheit des Landes erforderlichen Armee- 
bedürfnisse war eine aus altem Hader zurückgebliebene und 
weit verbreitete Krankheit jener Tage. Auch das Vertrauen 
auf die Friedfertigkeit des französischen Volks, sieben Monate 
vor der Kriegserklärung, hat Virchow mit vielen Genossen 
damals getheilt. Immerhin kann es den Ruhm des großen 
Naturforschers nicht erhöhn, wenn er dieses Vertrauen sogar 
zu dem allgemeinen Satze erweiterte, eine stete Kriegsbereit- 
schaft werde nicht durch gegenseitige Eifersucht der Völker, 
sondern nur durch das Verhalten der Cabinette bedingt. 
Denn seit 1813 hat es in unserem Jahrhundert keinen 
v. Sybel, Begründung d. deutschen Reiches. VII.
	        
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