1868 Sicherung der parlamentarischen Redefreiheit. 9
für strafbar erkläre; mit dieser Voraussetzung falle auch die
gerichtliche Verfolgung fort, ohne daß eine Änderung des
Verfassungsrechts Statt gefunden hätte. Die Gegner er-
widerten ihm, bei aller formalen Bündigkeit seines Schlusses
werde thatsächlich doch durch das beantragte Gesetz ein bisher
nicht überall anerkanntes Privileg für die Kammermitglieder
festgesetzt, und damit die Stellung der Volksvertreter gegen-
über der Regierung wesentlich erhöht, eine Machterweiterung
der Kammern und damit eine Anderung des Verfassungs-
rechts geschaffen. Folglich enthalte der Antrag auch eine
Erweiterung der Competenz der Bundesgewalt, eine Be-
schränkung der Selbständigkeit der Einzelstaaten, und eine
solche Tendenz zu verkünden, sei gerade in der jetzigen Lage
unklug und werde eine heftige Reaction in das Leben rufen.
Zu einer nachdrücklichen Warnung dieses Sinns erhob sich
der weimar'sche Minister von Watzdorff, dem niemand bisher
ein reactionädres oder particularistisches Streben vorgeworfen
hatte; Windthorst erklärte sich bereit, im prcußischen Landtage
den Antrag nach Kräften zu unterstützen, hielt aber die An-
nahme desselben hier im Reichstage für eine große Gefähr-
dung der Festigkeit des Bundes. Täuschen Sie sich nicht
über die Zeit, sagte er; die Hochfluth der deutschen Einheits-
bewegung ist vorbei, wir befinden uns in einer starken Ebbe,
und da heißt es, doppelt vorsichtig sein.
Bismarck nahm eine vermittelnde Stellung ein. In
alter Zeit hatte er, wie wir sahn, sehr kräftig gegen das Ver-
läumdungsprivileg der Abgcordneten geredet; jetzt bedurfte er
zugleich der Freundschaft und der Mäßigung der Mittel-
parteien. Er erklärte sich also bereit, seinen Einfluß in
Preußen für die Verwirklichung der Wünsche der Antrag-