184 Parlamentarische Kämpfe. Erfolge der Regierung. 1870
Antrag, weil er durch die Debatte seinen Zweck erreicht
habe, ohne Abstimmung zurückzog. Der Vertrag über die
gegenseitige Rechtshülfe wurde natürlich genehmigt.
Es ist nun über die Behandlung der in der Thronrede
angekündigten Vorlagen, des Strafgesetzbuchs und der vier
Gesetze zur Ergänzung der Freizügigkeit zu berichten. Es
sind Gegenstände specieller juristischer Technik, oft von ver-
wickelter und streitiger Natur, zu deren Darlegung nur ein
gründlich durchgebildeter und in der Praxis erfahrener Jurist
befähigt wäre. Ich begnüge mich, die allgemeine Tendenz
dieser Entwürfe und die bei der Berathung vorherrschenden
Einflüsse zu bezeichnen.
Mehrere der kleinern Gesetze wurden nach kurzer Er-
wägung ohne wesentliche Anderung angenommen. Nur das
Gesetz über den Unterstützungs-Wohnsitz hatte auch in dieser
Session einen schweren Stand, und zwar wie 1869 vor-
nehmlich im Bundesrath. Die preußische Regierung hatte
auch hier den Zweck im Auge, für die Bewegung der Bürger
in allen Bundesstaaten möglichste Freiheit und klare Rechts-
verhältnisse zu schaffen, und hatte also den Entwurf gleich-
mäßig durchgreifend für den ganzen Umfang des Bundes
gestaltet. Daran aber nahmen Königreich Sachsen, Hessen,
Mecklenburg und einige Kleinere Anstoß und wünschten
schonende Erhaltung ihrer particularen Einrichtungen. Es
kam darüber im Reichstage selbst zwischen den verschiedenen
Regierungs-Commissaren zu recht lebhaften Auseinander-
setzungen: hier aber griff die Mehrheit ganz im Sinne des
preußischen Standpunkts ein und schärfte und erweiterte
noch die den Gegnern unbequemen Bestimmungen. Die
Folge war dann, daß man endlich, unter schweren Seufzern